Der Besuch des US-Präsidenten Barack Obama in der Türkei hat die Diskussion um deren EU-Beitritt wiederbelebt. Die Amerikaner sind dafür, weil sie...

Der Besuch des US-Präsidenten Barack Obama in der Türkei hat die Diskussion um deren EU-Beitritt wiederbelebt. Die Amerikaner sind dafür, weil sie das Land als strategischen Eckpfeiler und verlässlichen Partner in der schwierigsten Krisenregion dieser Erde schätzen.

Aus europäischer Sicht ist die Sache differenzierter. Trotz aller Fortschritte bei Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit und Wirtschaftsentwicklung tut sich noch immer eine beträchtliche Kluft zwischen europäischen und anatolischen Standards auf. Noch immer gibt es dort Übergriffe der Exekutive auf die Justiz, tun sich die Regierenden in Ankara schwer damit, ihre kurdischen Bürger als nationale Minderheit zu akzeptieren oder den beinahe 100 Jahre zurückliegenden Völkermord an den Armeniern beim Namen zu nennen. Selbst seit Langem in Westeuropa lebende türkische Gemeinden tun sich oft schwer, die hiesige Lebensweise zu akzeptieren, und schotten sich ab.

Und ganz zu schweigen von dem Gerangel um den künftigen Nato-Generalsekretär Rasmussen, der als dänischer Ministerpräsident die Pressefreiheit wahrte und nicht gegen Mohammed-Karikaturen in einer Zeitung seines Landes vorging. Dieses Verhalten war seine verfassungsmäßige Pflicht - das sollte in der Türkei zumindest verstanden werden. Um diese nach wie vor eklatanten Differenzen zu überbrücken, wurde das Modell der "privilegierten Partnerschaft" erfunden. So etwas wie der Versuch, ein bisschen schwanger zu werden. Bei den Türken kommt das in etwa so an: "Wir brauchen euch, aber wir wollen euch nicht."

Wenn man es von beiden Seiten ehrlich meint, kann das Ziel nur Vollmitgliedschaft lauten - auch wenn es bis dahin noch ein langer und mühevoller Weg für alle Beteiligten werden sollte. Und es sollte auch weiterhin die Möglichkeit des Scheiterns einkalkuliert werden.