Welches Telefonat kann so wichtig sein, dass man die Kollegin und die Kollegen der Nato-Partner warten lässt? Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi spazierte mit dem Handy am Ohr am Rheinufer entlang, während sich die Staats- und Regierungschefs des Militärbündnisses auf der Rheinbrücke zwischen Kehl und Straßburg zum Familienfoto aufstellten. Auf diesem Bild fehlt Berlusconi jetzt. Bilder von der Europareise der Obamas. Bilder von den Damen beim Gipfel. Bilder vom Gipfel in Baden-Baden.

Kehl/Straßburg. Kurz vor 9.30 Uhr traf der Italiener in Kehl am Fuße der Brücke ein. Kanzlerin Angela Merkel stand wie zur Begrüßung auch der anderen Kollegen bereit. Berlusconi stieg telefonierend aus, machte Richtung Merkel Zeichen und wandte sich zum Fluss.

Die Kanzlerin setzte die Begrüßung der Staats- und Regierungschef unverdrossen fort, zuerst amüsiert über Berlusconi, dann eher verärgert und ungehalten. Die Kollegen aus Portugal und Dänemark, Jose Socrates und Anders Fogh Rasmussen, wies sie auf den Telefonierenden hin, die Herren lächelten gequält. Als der britische Premierminister Gordon Brown als letzter Gast eintraf, war Berlusconi immer noch am Handy.

Da machte Merkel kurzen Prozess ohne den Gast aus Rom beschritten die Kanzlerin sowie die anderen Staats- und Regierungschefs gegen 9.50 Uhr die 387 Meter lange Rheinbrücke von Kehl nach Straßburg. Fünf Minuten später trafen sie sich in der Mitte der "Passerelle des deux rives" (Brücke der zwei Ufer) mit Präsident Nicolas Sarkozy, der der Gruppe von der französischen Seite entgegen kam. Das anschließende Familienfoto wurde ohne Berlusconi gemacht. Während des Treffens flogen Kampfjets der französischen Luftwaffe im Tiefflug über die Brücke und zigen einen Rauchschweif in den Farben blau und weiß - den Farben der Nato hinter sich her.

Auch beim Gedenken an die toten Nato-Soldaten fehlte der Italiener. Als die Politiker-Gruppe sich schließlich auf französischer Seite noch zu einem Gruppenfoto aufstellte, hatte Berlusconi endlich Anschluss gefunden und auch sein Telefonat beendet.

Das lange Gespräch hatte er mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan geführt. Dieser ist gegen die Ernennung des Dänen Anders Fogh Rasmussen zum Nato-Generalsekretär. Eigentlich sollte diese Personalie am Freitag beim Abendessen in baden-Baden entschieden werden, aber die Türkei blockierte.