Im August vergangenen Jahres registrierten Beobachter noch “versteinerte Mienen“ beim Treffen zwischen Angela Merkel und Dmitri Medwedew. Die...

Hamburg/Berlin. Im August vergangenen Jahres registrierten Beobachter noch "versteinerte Mienen" beim Treffen zwischen Angela Merkel und Dmitri Medwedew. Die russische Armee war in Georgien einmarschiert. Kühle Blicke und ein kurzer Händedruck im Schwarzmeerbad Sotschi - mehr war nicht drin. Ähnlich lief es im Oktober in St. Petersburg.

Gestern jedoch, im Kanzleramt, war die Atmosphäre deutlich entspannt. Vor dem G20-Gipfel in London wollten der russische Präsident und die deutsche Kanzlerin ganz offensichtlich sanierte Beziehungen präsentieren. "Das Fundament heißt wieder Vertrauen", verkündete Merkel. "Wir haben keine grundlegenden Meinungsverschiedenheiten", sekundierte Medwedew. Beide betonten im Berliner Kanzleramt, ihre Positionen für den Weltfinanzgipfel seien "sehr ähnlich".

Zur deutschen Position trug gestern noch Bundesfinanzminister Steinbrück die Forderung nach einer umfassenden Regulierung auch von Hedgefonds und Rating-Agenturen bei.

Medwedew ist aber nicht der einzige Partner Merkels, zu dem sie in der Krise wieder ein besseres Verhältnis findet.

Vor allem gilt dies für Nicolas Sarkozy. Die beiden seien schon ein extrem seltsames Paar, notierte die "New York Times" über den französischen Präsidenten und die deutsche Kanzlerin. "Er ist klein und hyperaktiv, sie ist mürrisch und schüchtern." Er glaube an die Macht des Staates und an große Interventionen, sie glaube an bloße Anreize für den Markt. Beide kämen nicht gut miteinander klar - das gäben selbst ihre Berater zu.

In den vergangenen Monaten hatte es im deutsch-französischen Motorgetriebe beunruhigend gepoltert. So hatte Frankreichs Präsident im Oktober das Scheitern des Vierer-Gipfels der Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Italiens zur Finanzkrise der Kanzlerin in die Schuhe geschoben. "Das ist vielleicht ein Fehlschlag - aber es ist nicht meiner. Es ist der von Merkel", hatte Sarkozy nach Angaben der exzellent informierten Zeitung "Le Canard Enchaine" gegrollt. Und süffisant bemerkt: "Frankreich arbeitet an der Finanzkrise, Deutschland denkt mal drüber nach."

Nun hat das ökonomische Desaster Merkel und Sarkozy zur engen Partnerschaft gezwungen - denn erstens muss Europa gemeinsam handeln, und zweitens stehen beide gegen die Konzepte von US-Präsident Barack Obama.

"Die Krise belebt die alte Achse", schrieb das US-Magazin "Newsweek". Eigentlich habe Sarkozy viel lieber die Briten hofieren wollen als die Deutschen. Doch die deutsche Position liege inzwischen viel dichter bei der französischen als die britische. Und Premier Gordon Brown hat Sarkozys Forderungen als "lächerlich" zurückgewiesen.

Nun positionieren sich Merkel und Sarkozy gemeinsam gegen die "Angelsachsen" - also Obama und Brown. Dabei schießt "Speedy Sarko" wieder impulsiv weit übers Ziel hinaus - was Angela Merkel heftig ärgern dürfte. Dem Pariser "Figaro" sagte der Präsident jetzt, wenn der G20-Gipfel in London nicht konkrete Ergebnisse bei der stärkeren Regulierung der Finanzmärkte erbringe, dann "stehe ich auf und gehe". Sein Stuhl werde dann leer sein. Ein Scheitern des Gipfels sei allemal besser als ein "falscher Erfolg". Er zähle dabei auf die Unterstützung von Angela Merkel. "Paris und Berlin haben sich wiedergefunden, um der Achse "Washington-London die Stirn zu bieten", schrieb der "Figaro".