Zehntausende sammelten sich zu den Protestzügen - aufgerufen hatten Globalisierungsgegner, Gewerkschafter und Umweltgruppen.

Berlin/Frankfurt/London. Einige trugen schwarze Anzüge und die Masken einflussreicher Regierungschefs - wie etwa Nicolas Sarkozy und sogar Barack Obama - und steckten einem "kranken" Banker mit Zylinder Spielzeugdollars zu. Andere trugen in einem Sarg symbolisch den Kapitalismus zu Grabe. Zehntausende Menschen in Europa haben am Sonnabend in zum Teil sehr kreativ gestalteten Demonstrationszügen gegen die Verursacher der Wirtschaftskrise und das Krisenmanagement der Regierungen protestiert. In Deutschland, England und Österreich brachten sie im Vorfeld des kommenden Weltfinanzgipfels der G20 in London auch deutliche Kapitalismus- und Elitenkritik zum Ausdruck. Weitere Protestaktionen gab es in Italien, Frankreich, Spanien und Norwegen.

In Berlin demonstrierten nach Teilnehmerangaben 30 000 Menschen mit Transparenten, roten Fahnen und Sprechchören unter dem Motto "Wir zahlen nicht für eure Krise!" gegen die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung. Dabei war das am häufigsten verwendete Wort "Kapitalismus", etwa "Kapitalismus braucht keinen Arzt, sondern Totengräber" und "Kapitalismus funktioniert nicht". Der Demonstrationszug wurde zunächst von dem DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer angeführt, der sich vor wenigen Tagen Attac angeschlossen hatte. Es sei gut, "dass hier Leute aller Generationen zusammengekommen" seien, sagte Schorlemmer dem "Tagesspiegel". Nötig sei eine "Reform des Gesamtsystems und keine Reparatur".

Die Polizei, die mit Gewalteskalationen gerechnet hatte, sicherte den Umzug mit 1000 Beamten. Bei der Abschlusskundgebung vor dem Roten Rathaus lieferten sich Polizisten und rund tausend Mitglieder des "Schwarzen Blocks" heftige Auseinandersetzungen. Steine und Flaschen flogen, Autos wurden demoliert.

In Frankfurt zeigten laut Attac rund 25 000 Demonstranten Plakate mit Aufschriften wie "Die Milliarden, die jetzt verbraten, zahl'n unsere Kinder noch in Raten" und "Stoppt den Bonuswahn". Linken-Parteichef Oskar Lafontaine wurde schon beim Auftakt seiner Rede auf dem Römerberg mit Äpfeln und Eiern beworfen und von Radikalen aus einem "schwarzen Block" ausgepfiffen.

Zu den Protesten hatte ein breites Bündnis aus Gewerkschaftern, dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac, linken und Umwelt-Organisationen aufgerufen. Die Demonstranten kritisierten, dass Geringverdiener die Folgen der Finanzkrise mit Steuergeldern bezahlen müssen. Nach Angaben von Attac hätten viele sich zum ersten Mal an einer Demonstration beteiligt. Es habe sich nicht um das "übliche Klientel von Sozialprotest-Demonstrationen" gehandelt, sagte ein Attac-Sprecher.

Zum größten Protest kam es in London. Dort marschierten Demonstranten unter dem Motto "Put People First" (Setzt die Menschen an erste Stelle) und "Money for need not greed" (Geld für Bedürftige nicht Gierige) zum Hyde Park, nach Angaben von Scotland Yard insgesamt 35 000. Ein Bündnis aus mehr als 150 Gewerkschaften, Umwelt- und Hilfsorganisationen und globalisierungskritischen Netzwerken hatte zu den Protesten aufgerufen. "Niemals zuvor ist ein so breites Bündnis mit so einer klaren Botschaft an die weltweiten Führungen zusammengekommen", sagte der Generalsekretär des britischen Gewerkschaftsbunds TUC, Brendan Barber.

Auch in Wien protestierten Tausende unter dem Motto "Wir zahlen nicht für eure Krise" gegen die Politik der großen Industrienationen in der Finanz- und Wirtschaftskrise. Attac sprach von 20 000, die Polizei von 6500 Teilnehmern. "Die Menschen setzen heute ein Signal für eine alternative Form des Wirtschaftens", erklärte Alexandra Strickner von Attac Österreich. Zum G20-Gipfel, der am Donnerstag in London beginnt, planen Globalisierungsgegner, Kriegsgegner und Klimaschützer weitere Protestveranstaltungen.