Ungeachtet intensiver Bemühungen um eine Feuerpause hat Israel die Angriffe in der Stadt Gaza dramatisch verschärft. Während UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sich in Tel Aviv um Vermittlung bemühten, beschoss die israelische Armee in Gaza das UN-Hauptquartier, ein Krankenhaus sowie ein Haus mit internationalen Medienbüros. Bei einem Luftangriff wurde der Hamas-Innenminister Said Siam getötet.

Gaza/Tel Aviv. Bei einem israelischen Luftangriff starb der Innenminister der Hamas-Regierung im Gazastreifen, Said Siam. Dies berichtete eine der radikalislamischen Palästinenserorganisation nahestehende Webseite. Siam gehörte zum inneren Führungskreis der Hamas und ist bislang das ranghöchste Mitglied der Organisation, das seit Beginn der israelischen Offensive im Gazastreifen getötet wurde. Auch Abu Schreh, der als Untergebener des Innenministers die Sicherheitskräfte der Organisation leitete, wurde bei dem Luftschlag getötet.

Die Bewohner Gazas erlebten am Ende der zweiten Woche der Kämpfe den schlimmsten Tag. Rund 40 000 Einwohner waren nach UN- Angaben auf der Flucht und versuchten, etwa in UN-Schulen und Gebäuden von Hilfsorganisationen Schutz zu finden. In New York forderte die Vollversammlung der Vereinten Nationen Israel zur sofortigen und bedingungslosen Waffenruhe auf.

Die Zwischenfälle lösten weltweit Empörung aus. Ban erklärte in Tel Aviv, er habe der israelischen Führung seine Empörung über den Beschuss des UN-Gebäudes deutlich gemacht. Israels Ministerpräsident Ehud Olmert äußerte Bedauern über den Vorfall. Das Internet-Portal zitierte ihn aber mit der Behauptung, die israelischen Soldaten seien aus dem UN-Komplex heraus beschossen worden. Der Sprecher des UN- Hilfswerks UNRWA, Chris Gunness, wies diese Darstellung als "jeder Grundlage entbehrend" zurück.

Der UN-Generalsekretär erklärte gleichzeitig, alle Elemente für eine Waffenruhe im Gazastreifen seien vorhanden und diese werde "in absehbarer Zeit" erwartet. Steinmeier betonte auf seiner zweiten Nahost-Mission in nur wenigen Tagen die Bedeutung einer sofortigen Feuerpause. "Ich habe den Eindruck, dass man auch in Israel weiß, dass wir zu einem Ende der Kampfhandlungen kommen müssen." Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zeigte sich nach einem Gespräch mit Steinmeier in Ramallah zuversichtlich, dass es in den kommenden Tagen zu einer politischen Lösung kommt. Am Abend traf Steinmeier in Kairo zu weiteren Unterredungen ein.

Der israelische Unterhändler Amos Gilad sprach in Kairo mit ägyptischen Regierungsvertretern über die Bedingungen für eine Waffenruhe. Dabei gaben die Ägypter dem Vernehmen nach die Bedingungen der Hamas für eine Waffenruhe weiter. Dabei soll die Hamas eine Feuerpause von sechs bis zwölf Monaten angeboten haben. Das Hamas- Politbüromitglied im Exil, Mohammed Nassal, sagte dem Sender Al- Arabija, seine Organisation werde keinesfalls auf die israelische Forderung nach einer unbegrenzten Waffenruhe eingehen. Nach langem diplomatischen Hin und Her einigten sich die arabischen Staatschefs darauf, am kommenden Montag bei ihrem Wirtschaftsgipfel in Kuwait über eine Beilegung des Gaza-Konflikts sprechen zu wollen.

In dem UN-Gebäude in Gaza, das auch ein Treibstofflager für die UN- Fahrzeuge beherbergt, schlugen nach Angaben von UN-Mitarbeitern drei Phosphorbomben ein. Die UN-Hilfsorganisationen stellten alle Tätigkeiten in Gaza ein. Im Al-Kuds-Krankenhaus in Gaza, das ebenfalls beschossen wurde, brach ein Brand aus, der erst nach mehreren Stunden gelöscht werden konnte. Die Zahl der bei der israelischen Offensive Getöteten stieg nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza bis zum Nachmittag auf 1070, nach Zählung des UN-Kinderhilfswerks UNICEF davon rund 300 Kinder.

Am Donnerstag schlug eine israelische Granate in einem Hochhaus ein, in dem Medienunternehmen, darunter die Nachrichtenagentur Reuters sowie der Fernsehsender Al-Arabija, ihre Büros haben. Dabei wurden zwei Mitarbeiter des emiratischen Fernsehsenders Abu Dhabi TV verletzt. Die Auslandspressevereinigung (FPA) in Israel protestierte gegen den Beschuss des Gebäudes.

Bodentruppen rückten am 20. Tag der Offensive massiv in Richtung Stadtzentrum vor. Dies löste in der Bevölkerung Panik aus. Panzer standen nach Augenzeugenberichten nur noch eineinhalb Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Im ganzen südlichen Stadtgebiet brannten demnach zahllose Wohnungen und Autos. Menschen riefen von Balkonen um internationale Hilfe. Ambulanzen und Sanitäter konnten das Gebiet wegen der schweren Kämpfe nicht mehr erreichen. Militante Palästinenser und Soldaten lieferten sich schwere Gefechte. Während die Panzer weiter vorrückten, feuerten militante Palästinenser mehr als 20 Raketen auf Israel ab. Dabei wurden in der südisraelischen Stadt Beerschewa sechs Israelis verletzt, zwei davon schwer.

Das israelische Militär rief unterdessen ein Spezialteam für den Wiederaufbau im Gazastreifen nach einer eventuellen Waffenruhe ins Leben. Der Kommandeur der Süd-Streitkräfte, General Joav Galant, habe einen entsprechenden Befehl erteilt, teilte das Militär am Donnerstag mit. Die Gruppe werde "humanitäre und Infrastruktur-Bemühungen unterstützen, die der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen dabei helfen, ihre Infrastruktur wieder aufzubauen, um ein normales Leben führen zu können", hieß es in der Mitteilung.