Die Särge gefallener US-Soldaten dürfen weder fotografiert noch gefilmt werden - mit diesem Medienverbot will Präsident Barack Obama jetzt Schluss machen.

Hamburg. Die Särge gefallener US-Soldaten dürfen weder fotografiert noch gefilmt werden - mit diesem Medienverbot will Präsident Barack Obama jetzt Schluss machen. Damit zeichnet sich ein neuer Umgang des Weißen Hauses mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak ab.

Das bisherige Medienverbot bezieht sich auf die Luftwaffenbasis Dover Air Force Base im Bundesstaat Delaware, wo die Särge sämtlicher gefallener Soldaten ankommen. Mit dem "Fallen Hero Commemoration Act" (Gesetz zu Gedenkfeiern gefallener Helden), das seit dem Golfkrieg 1991 besteht, unterbindet das Verteidigungsministerium die fotografische Abbildung der Transporte bzw. behält sie ausdrücklich nur bestimmten, "akkreditierten" Fotografen vor.

Hintergrund war vor Jahren ein peinlicher medialer Zufall gewesen: Präsident George Bush senior hatte in Washington eine launige Pressekonferenz gegeben, als zur selben Zeit in Dover die ersten Opfer der US-Invasion in Panama 1989 ausgeladen wurden; Fernsehsender zeigten auf geteilten Bildschirmen die in die US-Flagge gehüllten Särge in Dover und daneben den Präsidenten, der bei seiner Rede einen Witz machte. In der Folge wurden ausgesuchte Fotografen nur dann in Dover zugelassen, "wenn es im Interesse der Regierung war", sagt Meredith Fuchs, Beraterin des National Security Archive, das sich seit 2005 für eine Veröffentlichung von Gefallenenfotos einsetzt.

Das erste Mal waren die Amerikaner während des Vietnam-Krieges geschockt worden, als sie im Fernsehen sahen, wie Särge von Gefallenen auf einem Stützpunkt auf Hawaii wie am Fließband aus den Flugzeugen rollten. "Solche Bilder bringen den Leuten die Folgen des Kriegs natürlich näher", sagt S. Robert Lichter, Leiter des Zentrums für Medien und Öffentlichkeitsarbeit an der George Mason University in Virginia. Aber das führe nicht zwangsläufig zu Demoralisierung oder einer Anti-Kriegsstimmung: "Was die Leute gegen den Krieg einnimmt, ist nicht, dass Amerikaner dabei sterben, sondern die Befürchtung, dass sie für etwas Falsches sterben", sagt Lichter.

Für viele Familien gefallener US-Soldaten ist die Ankunfts-Zeremonie in Dover, bei der ein Militärpfarrer ein Gebet spricht und eine Acht-Mann-Ehrengarde die Särge zum Bestattungswagen trägt, ein wichtiger Dank der Nation an diejenigen, die für den Krieg den höchsten Preis bezahlten. Eine Mehrheit von 60 Prozent der Amerikaner sprach sich bei Umfragen 1991 und 2004 dafür aus, Bilder von der Zeremonie zu veröffentlichen.

Immer wieder versuchten Angehörige oder Bürgerrechtler, unter Berufung auf das "Freedom of Information Act" (Gesetz zur Informationsfreiheit) eine Veröffentlichung von Fotos zu erreichen. 2006 gewann der Fotograf Todd Heisler einen Pulitzer-Preis für seine Serie über gefallene US-Marines, die aus dem Irak heim nach Colorado gebracht wurden; Heisler konnte nur fotografieren, weil die Angehörigen zustimmten. Seit 2001 veröffentlicht die "Washington Post" unter "Faces of The Fallen" zumindest die Passfotos aller US-Soldaten, die im Irak (4225) und in Afghanistan (640) gefallen sind - insgesamt sind es derzeit 4865 Tote.

Für Präsident Barack Obama birgt der Plan, offener mit diesen Kriegsfolgen umzugehen, auch ein Risiko. Gerade will er Zehntausende zusätzlicher US-Soldaten nach Afghanistan schicken - damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Fotos von Särgen um die Welt gehen werden. Andererseits will er die Regierungsarbeit transparenter machen. Dazu würde nicht passen, die Särge von Dover zu verstecken.