Einen „eindeutigen Bruch“ mit der bisherigen Praxis hatte Präsident Barack Obama angekündigt und versprochen, bei ihm würden im Weißen Haus keine Lobbyisten arbeiten. So ganz hat das nicht geklappt.

Washington. Von Anfang an gab es Ausnahmen. Und nun haben peinliche Einzelheiten über Steuerprobleme des für das Amt des Gesundheitsministers vorgesehenen Exsenators Tom Daschle den Konflikt zum Platzen gebracht: Am Dienstag zog sich Daschle zurück und erklärte, für das Amt nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Auch die als "Haushaltswächterin" vorgesehene Nancy Killefer hat auf das ihr angetragene Amt verzichtet - wegen Steuerproblemen.

Vielleicht hätte Obama nicht so viel versprechen sollen, meinen manche Verfechter größerer Transparenz in der Regierungsarbeit. Noch nehmen sie ihm den guten Willen ab. Gleich am ersten Tag im Amt hatte er verfügt, dass frühere Lobbyisten beim Eintritt in seine Regierungsmannschaft nichts mit Themen oder Behörden zu tun haben dürfen, die mit ihrer früheren Tätigkeit in Verbindung stehen.

Dennoch wurde William Lynn zum zweiten Mann im Verteidigungsministerium ernannt, wo er bis vor kurzem die Interessen des Rüstungsunternehmens Raytheon vertrat. Und William Corr ist als stellvertretender Chef des Gesundheitsministeriums nominiert, obwohl er dort für die Anti-Tabak-Lobby wirkte. Er versicherte, sich aus einschlägigen Fragen herauszuhalten. "Selbst die strengsten Regeln erfordern vernünftige Ausnahmen", argumentierte Regierungssprecher Robert Gibbs.

Wahlkampf-Theorie und Regierungs-Praxis Die Ausnahmen bei Lynn und Corr ließen manche in Washington aufheulen. Doch andere finden, sie sagen ebenso viel aus über die eingeschliffene Praxis und die Notwendigkeiten des Regierungsgeschäfts wie über den neuen Präsidenten - und dazu zählen auch Leute, die sich seit langem für strengere moralische Standards stark machen.

"Manchmal kann man auch zu viel versprechen", meint der frühere republikanische Senator Warren Rudman. Regierungsarbeit sei sehr kompliziert. "Oft braucht man Leute mit viel Erfahrung auf bestimmten Gebieten", und manchmal erfüllten eben frühere oder derzeitige Lobbyisten die Anforderungen am besten.

Vielleicht sei es ein Fehler gewesen, so hart gegen Lobbyisten durchzugreifen, sagt Melanie Sloan, die als Direktorin der "Bürger für Verantwortung und Moral" vor Kritik an Interessenvertretern und Politikern nicht zurückscheut. "Ich glaube, Obamas Leute hatten hier die besten Absichten. "Aber manchmal begreift man einfach, dass man mit Wahlkampfaussagen nicht regieren kann." Die Irritationen sollten nicht von der Beteuerung des neuen Präsidenten ablenken, die Rolle der Lobbyisten in seiner Regierung deutlich zu beschneiden.

Daschle ist kein Lobbyist im eigentlichen Sinne. Doch hat er in den vergangenen zwei Jahren mehr als 5,2 Millionen Dollar mit Beratung von Krankenversicherungen und Krankenhäusern sowie mit Tätigkeiten in der Energie- und Kommunikationswirtschaft verdient. "Beispiellos und fast revolutionär" nennt Reform-Aktivist Fred Wertheimer von Democracy21 Obamas Anordnung, "einen direkten Angriff auf die Kultur Washingtons und die Art, wie die Sache hier läuft". Ein paar Ausnahmen würden das nicht untergraben, meint er - vorausgesetzt, sie sind gerechtfertigt und begrenzt.