Der neue US-Präsident Barack Obama will das umstrittene Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba binnen Jahresfrist schließen. Das Hamburger Abendblatt hat die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengefasst.

Hamburg. Was ist Guantanamo? Es handelt sich um einen US-Militärstützpunkt im Südosten von Kuba. Das 117,6 Quadratmeter große Gelände wurde bereits 1903 von Kuba an die USA verpachtet. Obwohl das sozialistische Kuba seit der Machtergreifung Fidel Castros die Rückgabe der Bucht fordert, besteht die Militärbasis mit eigenem Flughafen und Befestigungsanlagen fort. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ist sie seit Anfang 2002 Gefangenenlager für Terrorverdächtige.

Warum ist es so umstritten? Die Häftlinge gelten dort als "ungesetzliche Kombattanten", denen auch die Rechte von Kriegsgefangenen verwehrt sind. Sie haben keinen Zugang zu ordentlichen Gerichten. Die Prozesse finden vor Militärtribunalen im Lager statt, die der Oberste Gerichtshof der USA schon 2006 für unrechtmäßig erklärte. Berichtet wird immer wieder von menschenunwürdigen Zuständen und Folter.

Warum will Barack Obama das Lager schließen? Dem neuen US-Präsidenten geht es um das Ansehen der USA in der Welt. Die Schließung sei "im Interesse der nationalen Sicherheit, der Außenpolitik und der Gerechtigkeit", hieß es. "Durch die massive Einschränkung persönlicher Freiheitsrechte, insbesondere jene mutmaßlicher Terroristen und der politischen Gewaltenkontrolle waren die USA nicht mehr die liberale Vorbild-Demokratie und damit nicht mehr glaubwürdig, um weltweit Demokratie zu fördern", sagt Josef Braml, USA-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGPA). "Diesen Makel will Obama beseitigen, um wieder die moralische Führungsrolle in der Welt beanspruchen zu können."

Wie soll die Schließung umgesetzt werden? Gestern wollte Obama ein Dekret unterzeichnen, nachdem das Gefangenenlager Guantanamo innerhalb eines Jahres geschlossen werden soll. Mehr als 800 Männer sollen bisher dort festgehalten worden sein. Die etwa 250 verbliebenen Häftlinge werden demnach "in ihre Heimatländer gebracht, freigelassen, in ein drittes Land überstellt oder in ein anderes US-Gefängnis gebracht". Gegen 21 Guantanamo-Häftlinge wurde bisher Anklage erhoben. Sie könnten nach einer Schließung des Lagers vor ordentlichen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden. Am Mittwoch schon hatte Obama als erste Amtshandlung die laufenden Verfahren für 120 Tage gestoppt. Die Zeit soll genutzt werden, um die Rechtsgrundlagen der Militärtribunale zu prüfen.

Welche Häftlinge sollen andere Länder aufnehmen? Dabei geht es um Häftlinge, denen man keine Schuld nachweisen kann oder die als unschuldig gelten, die aber nicht in ihre Heimat zurückkehren können, weil ihnen dort Folter droht. Dazu zählen unter anderem 17 Uiguren, Angehörige einer in China lebenden muslimischen Minderheit. Sie waren 2001 in Pakistan und Afghanistan festgenommen worden. Chinas Außenministerium bat darum, die Gefangenen "so schnell wie möglich" China zu übergeben.

Welche Länder sind bereit, Häftlinge aufzunehmen? Die Schweiz hat ihre Bereitschaft bereits an die USA übermittelt. Auch Großbritannien, Frankreich und Portugal haben diese nach Angaben von amnesty international signalisiert. In Deutschland hat sich innerhalb der Bundesregierung ein Streit darüber entzündet. Während Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Standpunkt vertritt, die USA müssten die Konsequenzen aus Guantanamo selbst tragen, hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) Obama die Aufnahme von Flüchtlingen angeboten. Auch Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte gegenüber dem Abendblatt davor gewarnt, die Aufnahme von vornherein auszuschließen. Die Schließung dürfe nicht daran scheitern, dass einzelne Gefangene keinen Aufnahmeort finden würden.

Ist Deutschland verpflichtet, Häftlinge aufzunehmen? "Es gibt keine Verpflichtung, außer bei eigenen Staatsbürgern, diese Leute zu übernehmen", sagt der Hamburger Professor für Staats- und Völkerrecht Ulrich Karpen dem Abendblatt. Aber Obama könnte es als Zeichen der Solidarität einfordern, denn Terrorismus sei ein globales Problem. "Wenn Deutschland sich bereit erklärt, Häftlinge aufzunehmen, dann muss bilateral und vertraglich genau geregelt werden, unter welchen Umständen und mit welchen Auflagen dies geschieht, damit die Sicherheit Deutschlands nicht gefährdet wird", sagte Karpen.

Gibt es Häftlinge, die aus Deutschland stammen? Nach Kenntnis von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) trifft das auf keinen der Häftlinge mehr zu. Der in Deutschland aufgewachsene Türke Murat Kurnaz wurde dort von Februar 2002 bis August 2006 unschuldig festgehalten. Erst auf Intervention von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kam er frei. Seitdem gebe es nach seinem Wissen niemanden mehr, für den Deutschland formal zuständig sei, so Kurnaz. Der Fall Kurnaz beschäftigte einen Untersuchungsausschuss. Der Türke war 2001 von den USA in Pakistan festgenommen und nach Guantanamo gebracht worden. Beamte des BND und Verfassungsschutzes verhörten ihn dort sogar.

Welche Position hat die Bundesregierung zur Schließung von Guantanamo? Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte bereits im Januar 2006 in einem "Spiegel"-Interview: "Eine Institution wie Guantanamo kann und darf auf Dauer so nicht existieren. Es müssen Mittel und Wege für einen anderen Umgang mit den Gefangenen gefunden werden." Schäuble sagte im Dezember 2005, es wäre besser, "wenn diese Einrichtung in die Zuständigkeit der amerikanischen Gerichtsbarkeit käme".