Die Vereinten Nationen setzen Syrien auf die “Liste der Schande“. Kinder werden von Assad-Truppen als menschliche Schutzschilde missbraucht.

London/Damaskus/New York. Ein schreckliches Bild vom Konflikt in Syrien zeichnet ein neuer Bericht der Vereinten Nationen. Demnach seien Kinder als menschliche Schutzschilde vor Panzern eingesetzt, Minderjährige seien gefoltert, verstümmelt, vergewaltigt und bei Massakern ermordet worden. „Wir waren echt sehr geschockt“, sagte die Uno-Sonderberichterstatterin zu Kindern in bewaffneten Konflikten, Radhika Coomaraswamy, am Dienstag dem britischen Sender BBC. Mit schrecklichen Berichten über gefolterte und massakrierte Kinder sei ihr Team aus Syrien zurückgekehrt. In vielen Konflikten auf der Welt würden Kinder im Kreuzfeuer getötet, aber dass Kinder unter zehn Jahren in Gefangenschaft gefoltert würden, sei extrem brutal, sagte sie. Die Vereinten Nationen haben Syrien daraufhin auf die "Liste der Schande" gesetzt, der am Montag in New York vorgestellt wurde. Diese Liste zeigt Staaten an, in denen Kinder in bewaffneten Konflikten getötet, sexuell angegriffen und rekrutiert werden.

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Kinder hätten den Berichterstattern erzählt, dass sie sich auf Panzer hätten setzen müssen, damit diese nicht von Aufständischen angegriffen würden. Die Sonderberichterstatterin richtet die schwersten Vorwürfe gegen die Armee von Präsident Baschar al-Assad. „In fast allen aufgeführten Fällen waren Kinder unter den Opfern von Militäroperationen der Regierungstruppen - einschließlich der Streitkräfte, der Geheimdienste und der Schabiha-Miliz – im Konflikt mit der Opposition““, heißt es in dem Bericht, der sich auf die Zeit zwischen Januar und Dezember 2011 bezieht. Selbst neunjährige Jungen und Mädchen seien unter den Opfern, seien getötet, verstümmelt, willkürlich verhaftet, gefoltert, sexuell misshandelt und als menschliche Schutzschilde missbraucht worden.

Die Massaker von Hula und Al-Kubair, bei denen insgesamt um die 200 Menschen umkamen, darunter auch viele Kinder, sind nicht erwähnt. Unklar ist weiter, wer für diese Gräueltaten verantwortlich ist. Augenzeugen berichteten, dass regierungstreue Milizen die Menschen umgebracht hätten. Doch auch die syrischen Rebellen stehen im Verdacht, das Blutbad von Hula angerichtet zu haben, um sie der Regierung in Damaskus zur Last zu legen. Schwere Vorwürfe erhob am Montag auch das US-Außenministerium, das der Regierung in Damaskus vorwarf sich „neuer schrecklicher Taktiken“ zu bedienen.

In dem Report schildert ein Zeuge den Angriff auf das Dorf Ayn l'Arus in Provinz Idlib am 9. März dieses Jahres. Dabei seien mehrere Dutzend Jungen und Mädchen im Alter von 8 bis 13 Jahren gewaltsam aus ihren Häusern geholt und „von Soldaten und Milizangehörigen als menschliche Schutzschilde benutzt worden, indem man sie an den Fenstern von Bussen platzierte, die Streitkräfte zum Angriff auf das Dorf transportierten“.

Ebenfalls neu auf der „Liste der Schande“ sind Jemen und der Sudan, teilte Coomaraswamy in New York mit. In dem Bericht werden 32 Staaten genannt, in denen seit mindestens fünf Jahren staatliche Gewalt gegen Kinder ausgeübt wird. Ban zeigte sich tief besorgt über die „inakzeptable hohe und wachsende Zahl“ langjähriger staatlicher Gewalt gegen Kinder. Coomaraswamy sagte, die Konflikte im vergangenen Jahr in Syrien und Libyen hätten dort Leid über viele Kinder gebracht. In anderen Teilen der Welt sei die Gewalt gegen Jungen und Mädchen beendet worden. Aber die sogenannte Liste der Schande sei immer noch viel zu lang.

Derweil äußerte sich das US-Außenministerium am Montag besorgt über Berichte, wonach das syrische Regime in der Provinz Latakia „möglicherweise ein weiteres Massaker organisiert“. Uno-Beobachtern war zuvor der Zutritt verwehrt worden. Aktivisten berichteten am Montag von mehr als 50 Toten bei Kämpfen in den Provinzen Homs, Idlib und Latakia.

In der ostsyrischen Stadt Deir el Sur kamen nach Angaben von Aktivisten am Dienstag bei einem Mörserangriff auf eine Gruppe von Demonstranten mindestens zehn Menschen ums Leben. Die Kundgebung habe sich gerade aufgelöst, als sich der Angriff ereignete, teilten die Syrische Beobachterstelle für Menschenrechte und die Örtlichen Koordinationskomitees mit. Erst am Montagabend waren in Deir el Sur nach Angaben der Aktivisten mehr als zehn Menschen bei der Explosion einer Autobombe getötet worden.

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Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon hat sich unterdessen „tief besorgt über die gefährliche Zunahme der Gewalt in ganz Syrien“ und die Gefahr für die Zivilbevölkerung in den umkämpften Gebieten geäußert. „Das Blutvergießen und die Kämpfe müssen sofort aufhören“, forderte Ban nach Angaben seines Sprechers. Insgesamt habe die Gewalt mit wechselnder Taktik der Konfliktparteien zugenommen, heißt es in der am Montagabend (Ortszeit) vom Sprecher des Generalsekretärs der Vereinten Nationen in New York verbreiteten Erklärung. Die Militäroperationen der Regierung führten dabei zu hohen zivilen Opfern und Menschenrechtsverletzungen. Allerdings beobachte man auch koordinierte Angriffe der Rebellen auf Regierungstruppen und zivile Einrichtungen.

Mit Material von epd/dpa/dapd