UN-Experten berichten von schrecklichen Gräueltaten an Kindern. Die syrische Armee soll Kinder als menschliche Schutzschilde vor Panzern eingesetzt haben.

London/Damaskus/New York. In der Syrien-Krise hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vor einer „gefährlichen Intensivierung“ der Gewalt gewarnt. In einer Erklärung seines Büros vom Montag (Ortszeit) in New York zeigte sich Ban besorgt über den Einsatz von Kampfhubschraubern in Wohngebieten durch das syrische Militär. Gleichzeitig machte er auch die Opposition für die zunehmend brutaler werdenden Kämpfe verantwortlich.

Die Vereinten Nationen warfen zudem der syrischen Armee vor, Kinder als menschliche Schutzschilde vor Panzern eingesetzt zu haben. UN-Sonderberichterstatterin Radhika Coomaraswamy kritisierte im britischen Sender BBC, Minderjährige seien im Syrien-Konflikt gefoltert, verstümmelt, vergewaltigt und bei Massakern ermordet worden. Auch Rebellen setzten Kinder an vorderster Front ein.

Ban zufolge hat die UN-Beobachtermission in Syrien über eine Zunahme der bewaffneten Auseinandersetzung zwischen der Regierung und den Kräften der Opposition berichtet. Die verstärkte Militäroffensive der Regierung führten zu vielen zivilen Opfern und Menschenrechtsverletzungen. Dabei seien die Stadt Homs und andere Siedlungen beschossen, in Talbiseh und Rastan Kampfhubschrauber eingesetzt worden.

Ban verurteilte diese „Eskalation der bewaffneten Gewalt“, die die humanitäre Situation im Land weiter verschlechtere. Beide Seiten müssten der Gewalt abschwören und eine friedliche, politische Lösung der Krise suchen.

UN-Sonderberichterstatterin Coomaraswamy sagte, ihr Team sei mit schrecklichen Berichten aus Syrien zurückgekehrt. In vielen Konflikten auf der Welt würden Kinder im Kreuzfeuer getötet, aber dass Kinder unter zehn Jahren in Gefangenschaft gefoltert würden, sei extrem brutal, sagte sie.

In ihrem jährlichen Bericht richtet die UN-Sonderberichterstatterin zu Kindern in bewaffneten Konflikten die schwersten Vorwürfe gegen die Armee von Präsident Baschar al-Assad. „In fast allen aufgeführten Fällen waren Kinder unter den Opfern von Militäroperationen der Regierungstruppen“, heißt es in dem Bericht, der sich auf die Zeit zwischen Januar und Dezember 2011 bezieht.

Die Massaker von Hula und Al-Kubair, bei denen insgesamt um die 200 Menschen umkamen, darunter auch viele Kinder, sind darin noch nicht erwähnt. Unklar ist weiter, wer für diese Gräueltaten verantwortlich ist. Augenzeugen berichteten, dass regierungstreue Milizen die Menschen umgebracht hätten.

Doch auch die syrischen Rebellen stehen im Verdacht, das Blutbad von Hula angerichtet zu haben, um sie der Regierung in Damaskus zur Last zu legen. Ein Team von UN-Beobachtern ist im Moment in Syrien, um die Einhaltung des Friedensplans von Sondervermittler Kofi Annan zu überwachen. Die Kämpfe gehen aber unvermittelt weiter.

„Kinder zahlen einen schrecklichen Preis in der militärischen Auseinandersetzung“, erklärte Jo Becker von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Nach UN-Angaben starben seit Beginn des Aufstands in Syrien im Februar 2011 mehr als 10.000 Menschen. Das oppositionelle „Syria Violations Documentation Center“ beklagt mindestens 1.176 Kinder unter den Opfern.

Vor dem UN-Generalsekretär hatte bereits der Syrien-Sondergesandte Kofi Annan seine „ernste Sorge“ über den Einsatz schwerer Waffen bei Angriffen der Regierungstruppen auf Rebellenhochburgen und über Berichte von zwischen den Fronten eingeschlossenen Zivilisten geäußert.

Annan, der für die Vereinten Nationen und die Arabische Liga in dem Konflikt vermittelt, rief alle beteiligten Seiten auf, Zivilisten zu schonen und für ihre Sicherheit zu sorgen. Jüngste Berichte über den Einsatz von Artillerie, Hubschraubern und Panzern in den Städten Al-Haffa und Latakia sowie die Angriffe in der Region Homs seien beunruhigend.

Die bewaffnete Opposition in Syrien setzt inzwischen verstärkt auf eine militärische Lösung des Konflikts. Auch mehren sich die Hinweise darauf, dass die Bewaffnung der Assad-Gegner jetzt deutlich besser ist als noch vor etwa zwei Monaten.

Ein Nachrichtenportal der Aufständischen schrieb unter Berufung auf eine Brigade der Freien Syrischen Armee, in der Provinz Homs hätten Deserteure am Montag mehrere gepanzerte Fahrzeuge der Truppen von Präsident Baschar al-Assad zerstört. Außerdem hätten sich in einem Stützpunkt der Luftwaffe zahlreiche Soldaten und Offiziere den Deserteuren angeschlossen.

Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, am Montag seien in Duma außerhalb von Damaskus zahlreiche „Terroristen“ getötet worden. Auch ein Angehöriger der Sicherheitskräfte sei bei dem Gefecht in Duma ums Leben gekommen. Während eines weiteren Gefechts in der Provinz Latakia seien fünf Polizisten getötet worden. Im Damaszener Viertel Birse hätten die Regimegegner zwei Autos in die Luft gesprengt. Insgesamt drei Fahrzeuginsassen seien dabei ums Leben gekommen.

In Deir al-Saur wurden nach Angaben des syrischen Beobachtungszentrums für Menschenrechte kurz vor Mitternacht bei der Explosion eines in einem Auto versteckten Sprengsatzes mindestens fünf Menschen getötet. Viele weitere seien verletzt worden, teilte das in London ansässige Zentrum in der Nacht zum Dienstag mit. (epd/dapd)