20.000 Menschen versammelten sich in Madrid. Wegen der Wahl am Sonntag dies verboten, doch die Polizei wird wohl nicht eingreifen.

Madrid. In Spanien halten die Proteste gegen die hohe Arbeitslosigkeit und den Sparkurs der Regierung den siebten Tag in Folge an. In der Hauptstadt Madrid versammelten sich am Samstag auf dem zentralen Platz Puerta del Sol Augenzeugen zufolge mindestens 20.000 Menschen. Sie missachteten damit ein Demonstrationsverbot vor den Kommunal- und Regionalwahlen am Sonntag. Das spanische Recht untersagt politische Veranstaltungen an Wahlwochenenden. Es wird allerdings nicht erwartet, dass die Polizei die Versammlungen auflöst. Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero hatte angekündigt, friedliche Proteste zu respektieren. Die größtenteils jungen Demonstranten rufen das spanische Volks dazu auf, am Sonntag nicht für Zapateros Sozialistische Partei und auch nicht für die oppositionelle konservative Partido Popular zu stimmen. Die Sozialisten müssen sich Meinungsforschern zufolge auf deutliche Verluste einstellen.

Das hoch verschuldete Spanien muss bislang zwar keine Hilfen von Europäischer Union (EU) und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Anspruch nehmen. Der Preis dafür ist aber ein harter Sparkurs. Die wirtschaftliche Erholung verläuft schleppend, die Arbeitslosigkeit ist mit einer Quote von 21,3 Prozent so hoch wie in keinem anderen EU-Land. Unter den 18- bis 25-Jährigen liegt sie sogar bei 45 Prozent. Viele davon müssen noch bei ihren Eltern leben, weil sie keinen Job finden. Der IWF sprach bereits von einer „verlorenen Generation“.

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In Spanien könnte der große Wandel bevorstehen. Angesichts des Spardrucks und wachsender Proteste von Jugendlichen steht das Land vor Kommunal- und Regionalwahlen, die zum Sturz von Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero führen könnten. Schon jetzt ist klar, dass seine Sozialistische Partei diesen Sonntag mit massiven Verlusten in Rathäusern und den Regionalparlamenten rechnen muss. Zu groß ist der Unmut, der sich angesichts einer Arbeitslosenquote von 21 Prozent – der höchsten in der Europäischen Union (EU) – und eines schmerzhaften Konsolidierungskurses in dem hoch verschuldeten Land angestaut hat.

Bislang hat es Zapatero mit milliardenschweren Ausgabenkürzungen vermeiden können, Hilfen von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Anspruch zu nehmen und damit sein Land den ungeliebten Sparauflagen beider Institutionen zu unterwerfen. Sogar ein minimales Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent wurde im ersten Quartal 2011 im Vergleich zu den vorangegangenen drei Monaten erreicht.

Ob es bei diesen Konsolidierungskurs nach den Wahlen in 8000 Gemeinden und 13 Regionen bleibt, ist fraglich. Vor allem die spanische Jugend wehrt sich immer vehementer gegen ihre Perspektivlosigkeit. Auch in den vergangenen Tagen machte sie ihrem Ärger landesweit mit Protestaktionen Luft. Zapatero kündigte am Freitag an, er respektiere friedliche Proteste und werde eine Entscheidung der Wahlaufsichtsbehörde prüfen lassen, Demonstrationen am Wahlwochenende zu verbieten.

Die Arbeitslosigkeit unter den 18- bis 25-Jährigen liegt bei 45 Prozent. Viele liegen gezwungenermaßen immer noch ihren Eltern auf der Tasche und konnten mangels Job nicht aus der elterlichen Wohnung ausziehen. Der IWF sprach bereits von einer „verlorenen Generation“. Seit einigen Wochen nehmen die jungen Leute diese Situation nicht mehr passiv hin. In vielen Städten besetzten sie die zentralen Plätze und fordern einen Stopp der Austeritätspolitik in der viertgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone.

Zapatero kommt diesen Wünschen offenkundig entgegen. Am Freitag kündigte er an, dass es nach den Kommunal- und Regionalwahlen keine weiteren Einsparungen geben werde. Dabei könnte nach den Wahlen der Spardruck sogar zunehmen. Erwartet wird, dass nach der Stimmabgabe in den Regionen noch größer als erwartete Defizitprognosen durchsickern dürften. Trotzdem gehen Beobachter davon aus, dass die spanische Regierung dadurch nicht ihr Ziel verfehlen wird, in diesem Jahr die Neuverschuldung auf sechs Prozent der Wirtschaftsleistung zu begrenzen.

Zapatero wird das wohl wenig nützen. Sein politischer Rückhalt ist begrenzt, steht er doch einer Minderheitsregierung vor und hat bereits angekündigt, bei der Wahl des neuen nationalen Parlaments kommenden März nicht mehr anzutreten. Es ist aber unsicher, ob Zapatero es bis zum regulären Ende der Wahlperiode schafft. Sollten die Wahlen an diesem Sonntag zu großen Verlusten der Sozialistischen Partei (PSOE) führen und die oppositionelle konservative Partido Popular (PP) einige ihrer Hochburgen erobern, ist mit Rücktrittsforderungen zu rechnen.

Auch innerhalb der PSOE könnte der Druck auf Zapatero steigen. Falls die Partei sich mit ihrem noch zu bestimmenden Spitzenkandidaten realistische Chancen ausrechnet, könnte sie auf Neuwahlen noch im Herbst dringen. Dann nämlich könnte die PSOE von der besseren Lage am Arbeitsmarkt profitieren, auf dem während der Tourismussaison mehr Menschen Arbeit finden.

Hohe Verluste für die PSOE bergen paradoxerweise auch eine Chance für die Wahl der Cortes – wie das spanische Parlament heißt – im kommenden März. Sollte die PP in vielen Kommunen und Regionen stärkste Kraft werden, wird sie auch die anstehenden unpopulären Kürzungen vornehmen müssen. Das wiederum dürfte der PP bei den Cortes-Wahlen schaden. (rtr)