Der Vorwurf: “versuchte Vergewaltigung, Freiheitsberaubung“

Der Zugriff in der Erste-Klasse-Kabine des Air-France-Flugs 23 von New York nach Paris erfolgte auf dem John-F.-Kennedy-Flughafen - um 16.30 Uhr Ortszeit am Sonnabendnachmittag, zehn Minuten vor dem Schließen der Türen. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass einer der Passagiere den Mann erkannte, der sich widerstandslos (und deshalb ohne Handfesseln) von zwei Beamten abführen ließ: Dominique Strauss-Kahn, 62, ist kein VIP, den Amerika kennt. Doch weder Anonymität noch diplomatische Immunität schützten Strauss-Kahn vor der Festnahme: Er sitzt in einer Polizeizelle in Manhattan; der Vorwurf: "krimineller sexueller Akt, versuchte Vergewaltigung, Freiheitsberaubung".

Ein Zimmermädchen in einem Hotel in Manhattan beschuldigt Strauss-Kahn, nackt über sie hergefallen zu sein und sie sexuell bedrängt zu haben, bevor sie fliehen konnte. Strauss-Kahn floh seinerseits zum John-F.-Kennedy-Flughafen. Offenkundig in Panik, denn er ließ sein Handy und sein Gepäck zurück. Noch muss die Unschuldsvermutung gelten. Und Strauss-Kahns amerikanischer Anwalt Benjamin Brafman, der zusammen mit seinem Washingtoner Kollegen William Taylor die Interessen des IWF-Chefs vertritt, versicherte am Sonntagmorgen in einer E-Mail an Reuters, ihr Mandant werde sich "nicht schuldig" bekennen, wenn er dem Haftrichter vorgeführt werde.

Noch hätten die Anwälte, so Brafman, ihren Mandanten, der in der Special Victims Unit (für sexuelle Straftaten) der New Yorker Polizei einsitzt, nicht treffen können. Ein Sprecher des IWF, William Murray, verweigerte jeden Kommentar zur Festnahme seines Chefs. Der IWF sei jedoch von der Affäre unberührt und "voll arbeitsfähig".

Die 32 Jahre alte Frau betrat am Sonnabendmittag im Sofitel am Times Square gegen 13 Uhr die Suite 2806 (für 3000 Dollar am Tag), um die drei Räume und das Bad zu reinigen.

Nach Angaben des stellvertretenden New Yorker Polizeichefs Paul Browne trat ihr Dominique Strauss-Kahn nackt entgegen, zog sie ins Schlafzimmer, zwang sie auf das Bett und drängte sich auf sie. Als sie zu fliehen versuchte, holte er sie ein und versuchte im Badezimmer abermals, sie zu missbrauchen. (Mindestens eine US-Zeitung schreibt, Strauss-Kahn habe sie zum Oralsex gezwungen.) Als sich die Frau endlich losreißen und aus der Suite fliehen konnte, habe sie Kollegen und das Management des Hotels verständigt. Sie wurde wegen leichter Verletzungen ambulant in einem Krankenhaus behandelt. Als die Polizei die Zimmer betrat, war der Gast verschwunden. Dreieinhalb Stunden später wurde der flüchtende Strauss-Kahn in der Air-France-Maschine festgenommen.

US-Zeitungen berichteten am Sonntag mit gedämpftem Interesse. Besonders hilflos erwiesen sich am Sonntagmorgen Nachrichtensender wie CNN, die mit Strauss-Kahn wenig anzufangen wussten und Mühe hatten, zu erklären, was der IWF eigentlich tut.