Angriffe auf Kopten fordern in Kairo zwölf Tote. Tunesien und Syrien gehen mit Militär gegen Proteste vor

Kairo/Damaskus. Die arabische Welt kommt nicht zur Ruhe. Bei schweren Zusammenstößen zwischen christlichen Kopten und Muslimen sind in Kairo am Wochenende mindestens zwölf Menschen getötet worden. Mehr als 180 Menschen sollen im Stadtteil Imbaba verletzt worden sein, berichteten arabische Medien. Die Behörden setzten Polizei und Militär ein, um die Lage unter Kontrolle zu bringen. 190 Menschen wurden festgenommen.

Anlass für die Auseinandersetzungen waren Gerüchte, in der koptischen Kirche werde eine 26 Jahre alte Frau festgehalten, die einen Muslim heiraten und deswegen zum Islam übertreten wolle. Laut den Berichten versammelten sich Hunderte von Muslimen, die zur radikalen Bewegung der Salafisten gehören sollen, vor der Kirche, um die Herausgabe der Frau zu verlangen.

Kopten hätten dann versucht sich schützend vor das Gotteshaus zu stellen. Im Verlauf der Auseinandersetzungen seien Schüsse abgefeuert und Brandbomben geworfen worden. Die Kirche und die Fassade einer benachbarten Kirche seien in Brand geraten. Militär und Polizei hätten Stunden gebraucht, um durch den Einsatz von Tränengas und Warnschüssen die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen.

Der ägyptische Ministerpräsident Essam Scharaf berief eine Krisensitzung seiner Regierung ein und verschob eine Auslandsreise, wie das ägyptische Staatsfernsehen berichtete. Der regierende Militärrat habe angekündigt, die bei den Ausschreitungen Festgenommenen sollten vor das Oberste Militärgericht gestellt werden.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warf der neuen ägyptischen Regierung vor, nicht entschieden genug für den Schutz und die Rechte der koptischen Minderheit einzutreten. "Der Terror radikaler Salafisten gegen Kopten nimmt immer mehr zu, da Ägyptens Behörden dem Druck dieser extremistischen muslimischen Bewegung oft nachgeben", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius in Göttingen.

Seit Januar 2011 sind dabei nach Angaben der GfbV mindestens 49 Kopten getötet worden. Die Kopten sind die größte christliche Gemeinschaft in Ägypten. Sie führen ihre Anfänge auf den Evangelisten Markus zurück. Angaben über Mitgliederzahlen schwanken zwischen fünf und zehn Millionen unter den 84 Millionen Ägyptern.

Auch in Tunesien, in dem die arabischen Rebellionen ihren Anfang genommen hatten, geht der Aufruhr weiter. Nach den jüngsten Protesten hat die tunesische Regierung eine Ausgangssperre über die Hauptstadt Tunis und ihre Vororte verhängt. Sie gilt von 21 bis 5 Uhr Ortszeit. Die Maßnahme soll bis auf Weiteres gelten.

Seit Donnerstag kommt es in Tunis wieder verstärkt zu Protesten gegen die Regierung. Die Sicherheitskräfte agieren dabei mit zunehmender Härte. Am Sonnabend hatten sie mit massivem Tränengas-Einsatz eine Demonstration aufgelöst. Die rund 200 Demonstranten hatten das Innenministerium als "terroristisches Ministerium" beschimpft. Bei den Protesten wird auch immer wieder der Rücktritt der Übergangsregierung gefordert.

Der syrische Präsident Baschar al-Assad geht ebenfalls immer massiver gegen Regierungsgegner vor: Sicherheitskräfte riegelten am Wochenende die Stadt Banias völlig ab und nahmen mehr als 200 Menschen fest. Ein Menschenrechtler berichtete, mindestens sechs Menschen seien getötet worden. Mit der Festnahme auch eines zehnjährigen Jungen wollten die Sicherheitskräfte offenbar "seine Eltern bestrafen", wie ein Augenzeuge sagte. In der ganzen Stadt seien die Wasser- und Stromversorgung sowie fast alle Kommunikationsstränge unterbrochen.

Die syrischen Truppen rückten mit Panzern in die Küstenstadt ein. "Banias ist jetzt von allen Seiten umstellt, niemand kann hinaus", sagte ein Bewohner. Die Streitkräfte hätten außerdem die ehemalige Kreuzfahrerburg Margat eingenommen, die auf einem Hügel über der Stadt liegt. Zwei Drittel der Bevölkerung seien bereits geflüchtet, vor allem Frauen und Kinder. Banias, eine der wichtigsten Städte für den syrischen Ölexport, ist eine der Hochburgen der Proteste gegen die Regierung.

Wenige Stunden vor dem Truppenaufmarsch waren bei Massenprotesten gegen Assad nach Angaben von Aktivisten landesweit 30 Menschen getötet worden. Die Einwohner von Banias fürchteten bereits einen groß angelegten Militäreinsatz wie kürzlich in der südlichen Stadt Daraa. In einem anderen Zentrum der Proteste, der Stadt Homs, versammelten sich Tausende Menschen zum Begräbnis dreier Demonstranten, die am Freitag von Militärs getötet worden waren.

In Libyen gehen derweil die Kämpfe rund um die Rebellenhochburg Misrata weiter. Über dem Hafen von Misrata stieg eine riesige Rauchsäule auf. Dort hatten die Truppen von Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi Treibstofflager bombardiert. Nur die gefüllten Tanks seien zerstört worden, sagte ein Vertreter der Rebellen. Jemand müsse Gaddafis Truppen die exakten Koordinaten für den Angriff durchgegeben haben.