EU-Kommission will Rückwürfe von Beifang verbieten lassen. Die Branche ist alarmiert. Die Bundesregierung unterstützt Brüssel.

Brüssel/Berlin. Im Kampf gegen die Überfischung der Meere geht die EU-Kommission ihre bislang radikalste Reform in der maritimen Politik an. Der Rückwurf von unterwünschten Beifängen soll verboten werden. Unterstützung bekommt die Kommission von der Bundesregierung. Doch die deutschen Fischer sind alarmiert. Sie fürchten ein Überangebot des kostbaren Meeresguts auf den Märkten.

Für EU-Kommissarin Maria Damanaki, die das Ressort Fischerei und Maritime Angelegenheiten in Brüssel leitet, ist die Zeit der Rücksichtnahme beendet: "Wir müssen die verschwenderische Praxis des Rückwurfs endlich stoppen", sagte die griechische Politikerin im Gespräch mit dem Abendblatt. Sie sei nicht mutiger als ihre Vorgänger, "vielleicht aber etwas ambitionierter". Damanaki ist überzeugt: "Die öffentliche Meinung ist an meiner Seite."

Allein in der Nordsee werden die jährlichen Rückwürfe auf 500.000 bis 800.000 Tonnen geschätzt. Laut Kommission werden je nach Fischerei in Europa zwischen zehn und 60 Prozent der Fänge zurück ins Meer gekippt - viele der Fische sind dann bereits verendet. Oft handelt es sich um Fische, die nicht verwertbar sind, da sie entweder zu klein sind oder es sich um Arten handelt, für die es wegen der beschränkten Fangquoten keinen Absatzmarkt gibt.

Mitte der Woche leitete die EU-Kommissarin den Diskussionsprozess mit der Fischindustrie über die Reform ein. Im Juli soll das Konzept bereits stehen. Aber noch ist unklar, mit welchen Instrumenten das Verbot umgesetzt werden könnte. "Einige Regierungen unterstützen mich, andere zaudern noch", so die EU-Kommissarin. Aber wenn die Fischindustrie nicht einsehen wolle, "dass wir eine Reform in ihrem Interesse anstreben", dann werde es schwierig, erfolgreich zu sein.

Bedenken meldet vor allem der in Hamburg ansässige Deutsche Fischerei-Verband an. Dessen Generalsekretär Peter Breckling warnte in Brüssel davor, dass man mit einem durch die Reform ausgelösten Überangebot von Fisch die Fischerei auch kaputt machen könne. Er sprach sich dafür aus, technische Möglichkeiten auszubauen, mit denen weniger Beifänge an Bord gelangen - und damit auch weniger Rückwürfe erforderlich werden.

Auch in anderen EU-Staaten regt sich Widerstand. Immerhin hängen europaweit rund 400.000 Arbeitsplätze an der Fischerei. Besonders die Fischereiverbände Irlands und Dänemarks warnten die Kommissionsbeamten bereits vor einer politischen Kopfgeburt. Man könne doch nicht jedes kleine Tierchen an Land bringen. Was man nicht verkaufen könne, solle auch nicht aufgehoben werden. Die Hauptsorge der Fischerei-Industrie gilt den Fangflotten, die bei dieser Reform erhebliche Einschnitte erfahren könnten: Weniger Schiffe würden wohl mehr Fische an Land bringen müssen. Der Konkurrenzdruck in der Fischerei würde steigen. Dass die Kommission zusätzlich plant, die Fangrechte den Fischern als individuell handelbare Eigentumsrechte zuzuweisen, wird im für die Fischerei zuständigen Bundeslandwirtschaftsministerium kritisch beobachtet. Dies würde vermutlich tatsächlich einen starken Konzentrationsprozess auslösen, der vor allem zulasten der kleinen handwerklichen Fischereibetriebe gehen werde, heißt es im Ministerium.

Dennoch - Berlin ist erfreut über das Brüsseler Reformtempo. "Es ist höchste Zeit, dass wir Rückwurfverbote einführen, um der unverantwortlichen Verschwendung ein Ende zu setzen", sagte Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) dem Abendblatt. Sie freue sich, dass die Kommission die deutsche Forderung nach Einführung von Rückwurfverboten aufgegriffen habe und zu einem zentralen Thema der Reform der Fischereipolitik machen werde. Deutschland habe sich in der Diskussion um die Reform stets mit Nachdruck für die Einführung von Rückwurfverboten und Anlande-Verpflichtungen in geeigneten Fischereien eingesetzt.

EU-Kommissarin Damanaki zeigt sich verhalten optimistisch. Sie gibt zu, dass sie sich mit ihren Plänen viele Feinde machen könnte: "Ich bin erst seit einem Jahr im Amt, und die Abschaffung der Rückwürfe ist eine radikale Reform. Ich kann damit scheitern. Aber die Öffentlichkeit erwartet von uns, dass wir die Meere retten." Ihre Mission endet frühestens mit dem Ablauf ihrer Amtszeit Anfang 2015. Die Zeit will sie noch nutzen. "Ich muss noch eine Menge Leute überzeugen. Ich muss noch hart arbeiten."