Der Umweltverband WWF entwirft Regeln, die die Fischerei in geschützten Meeresregionen einschränken - denn sie spielt eine Schlüsselrolle.

Hamburg. Während Naturschutzgebiete an Land nur sehr eingeschränkt genutzt werden dürfen, bläst auf See ein anderer Wind: Meeresschutzgebiete sind weiterhin der Fischerei und anderen Störungen ausgesetzt. Dies kritisiert der Umweltverband WWF und legte gestern eine Studie vor, um geschützte Seegebiete besser zu managen. Sie konzentriert sich auf die Fischerei, denn diese spielt eine Schlüsselrolle beim maritimen Naturschutz.

"Schleppnetze und Baumkurren durchpflügen den Meeresboden. Schweinswale und Seevögel ertrinken in Stellnetzen, und die Gammelfischerei zur Gewinnung von Fischmehl und -öl entnimmt der Nahrungskette große Mengen von Kleinfischen", sagt Stephan Lutter, Meeresökologe beim WWF. Für die zehn Schutzgebiete der Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ, 200-Meilen-Zone) in Nord- und Ostsee gebe es bislang kein Management menschlicher Nutzungen. Der Schutzstatus stehe nur auf dem Papier, es werde Zeit, ihn mit Leben zu füllen.

2007 bestätigte die Europäische Kommission die Schutzgebietsanträge, die unter dem ehemaligen Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) eingereicht wurden. Deutschland ist damit das erste Land, das maritime Lebensräume nach der FFH-Richtlinie der EU oder EU-Vogelschutz-Richtlinie unter Schutz stellte. Spätestens sechs Jahre später müssen Managementpläne für die Gebiete vorliegen. Lutter: "Regelungen für die Fischerei sind besonders kritisch, weil diese anderen Fachressorts obliegen, in Deutschland dem Agrarministerium. Es ist höchste Zeit, dass Ministerin Ilse Aigner (CSU) ein Maßnahmenpaket zur Fischerei in Brüssel einreicht und der Rat der Fischereiminister darüber befindet."

Auch Dr. Henning von Nordheim, Wissenschaftlicher Direktor für Meeresschutz beim Bundesamt für Naturschutz (BfN), empfindet Zeitdruck: "Noch ist in keinem der zehn Schutzgebiete ein Managementplan in Kraft. Ein Grund ist die Tatsache, dass das neue Bundesnaturschutzgesetz erst 2010 verabschiedet wurde. Es ermöglicht umfassendere Regeln im Meeresnaturschutz und bildet die Basis für die Rechtsverordnungen, die aus den jetzigen Schutzgebieten nach europäischem Recht deutsche Naturschutzgebiete machen. Dieser Prozess soll 2012 abgeschlossen werden. Erst danach können wir die Erarbeitung der Managementpläne abschließen."

Wie diese aus Sicht des WWF aussehen müssten, zeigt die Studie. Sie nennt für die vier Nordsee- und sechs Ostseeschutzgebiete jeweils spezifische Maßnahmen, etwa um Schweinswale oder Seevögel, Wanderfische oder Riffstrukturen zu schützen. Generell fordert der Umweltverband, jeweils die Hälfte der Fläche komplett für Fischkutter zu sperren; in der anderen Hälfte sollte der Einsatz der besonders schädlichen Baumkurren mit Scheuchketten, die einige Zentimeter tief in den Boden eindringen, verboten werden.

Dr. Peter Breckling, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Kutter- und Küstenfischer, kann die WWF-Forderungen nicht nachvollziehen: "Teile der Schutzgebiete zu sperren würde nur bedeuten, dass die Fischer auf andere Gebiete, in denen bereits Kollegen fischen, ausweichen müssen. Diese würden intensiver genutzt, was ebenfalls ökologische Folgen hätte." Ein Verbot der schweren Baumkurren sei "eine Luftnummer", so Breckling: "Das Fanggerät zentimetertief durch den Meeresboden zu ziehen kostet viel Energie. Durch die steigenden Treibstoffpreise wird damit kaum noch gearbeitet."

BfN-Experte von Nordheim will die WWF-Vorschläge nicht weiter bewerten. Zumindest vereinzelte Gebietssperrungen für die bodenberührende Schleppnetzfischerei hält er für sinnvoll. "In einem Forschungsprojekt können wir dann beobachten, wie sich der Meeresgrund über drei, vier, fünf Jahre erholt. Heute gibt es fast keine Gebiete, die über einen solchen Zeitraum unangetastet bleiben."

Von Nordheim hofft auf die Kooperationsbereitschaft der Fischer: "Die Managementpläne bieten die Chance, nachhaltigen Fischfang und Naturschutz zu beider Gunsten zu vereinen. Denn Schutzgebiete werden dann zu Erholungsarealen für Fischbestände." Sollte es gelingen, die Managementpläne rechtzeitig bis 2013 zu verabschieden, würde Deutschland seine Vorreiterposition weiter ausbauen. Allerdings müsse dazu auch die Entnahme von Kies und Sand in den Schutzgebieten aufhören, betont WWF-Experte Lutter. Es laufe bereits eine Beschwerde bei der EU-Kommission gegen diese Nutzung am Sylter Außenriff und in der östlichen Deutschen Bucht. Und Greenpeace hat vor Sylt Riesensteine zum Schutz gegen Schleppnetze versenkt. Vielleicht läuft dort der Naturschutz künftig nach (Management-)Plan.

Studie: Schutz den Schutzgebieten

Quelle: WWF Deutschland