Von Kairo bis Bagdad nimmt man die Nachricht von Bin Ladens Tod mit verhaltenem Beifall auf. Viele fürchten aber Vergeltung

Kairo/Tanger. Viele in der arabischen Welt haben Osama Bin Laden dafür bewundert, dass er es wagte, der Supermacht Amerika nicht nur zu trotzen, sondern sie sogar herauszufordern. Im Orient zollte man dem Al-Qaida-Chef zumindest einen gewissen Respekt. Als dann immer mehr Muslime und Zivilisten zur Zielscheibe der Attacken von al-Qaida wurden, wendete sich das Blatt. Deshalb provozierte die Nachricht über seinen Tod in der Region überwiegend verhaltenen Beifall.

Besonders in Ländern mit schiitischer Bevölkerung wächst jetzt Hoffnung, dass die Kluft zwischen Sunniten und Schiiten geringer werden könnte. Der fanatische Sunnit Bin Laden rief in seinen unzähligen Video-Botschaften auch immer zum Dschihad (Heiligen Krieg) gegen die schiitischen Muslime auf. In seinen Augen waren sie genauso Ungläubige wie die Christen. Vor allem im Irak führte das zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden islamischen Glaubensrichtungen.

So reagierte die irakische Regierung auf den Tod des Al-Qaida-Chefs mit Genugtuung. "Der Terror hat keine Chance", sagte der irakische Vize-Premier Rosch Nuri Schaways. "Auch ein Bin Laden kann sich nicht für immer verstecken." Mit dem Tod des Top-Terroristen werde die Schlagkraft al-Qaidas nachlassen, prophezeit Schaways. Trotzdem müsse man auf der Hut sein. "Sie werden jetzt versuchen zu zeigen, dass der Tod Bin Ladens keinen Einfluss auf ihre Aktivitäten hat."

Das Regime in Teheran wies im Zusammenhang mit dem Tode Bin Ladens auf die veränderte Lage in der Region hin: "Der Vorwand der USA und des Westens, ihr militärisches Vorgehen in der Region diene der Terrorismusbekämpfung, ist heute nicht mehr gültig", sagt ein Sprecher des Außenministeriums. Er hoffe nun auf Frieden.

Auch in anderen Ländern des Nahen Ostens findet die radikale Auslegung des Islam, für die Bin Laden steht, keine Mehrheiten. "Nicht Osama Bin Laden und seine Terrortruppe haben die Regime in Tunesien und Ägypten zum Sturz gebracht, sondern eine demokratische Jugendbewegung", kommentiert Wael Ghonem, Mitinitiator des Aufstands in Ägypten, den Tod Bin Ladens. Er befürchtet aber, dass nun Bin Ladens Stellvertreter nachrücken wird, Ayman Zawahiri - ausgerechnet ein Ägypter. Ghonem warnt davor, dass dieser wieder Kontakt zu den militanten Moslembrüdern aufnehmen könnte, wenn sie nach langen Jahren des Verbots nun legitimiert werden und politischen Einfluss gewinnen. "Wir haben genügend eigene Probleme, was kümmert uns heute dieser Kerl!", sagt der Tunesier Karim Ben Smail, der den größten Verlag des Landes leitet. Al-Qaida habe mit dem Attentat auf Djerba die Touristen vertrieben - das habe man den Terroristen in Tunesien nicht vergessen.

Der Tod von Osama Bin Laden kann die Islamisten nicht besiegen, glaubt der marokkanische Anwalt Nabil Larussi: "Er war nur noch eine symbolische Figur. Mit oder ohne ihn, al-Qaida wird weitermachen." Dagegen verurteilte der Führer der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen, Ismail Hanija, die Tötung Bin Ladens als Mord. Die Aktion sei "eine Fortsetzung der amerikanischen Politik der Gräueltaten", sagte der islamistische Politiker.