Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin sieht das “finden und vernichten“ der Drahtzieher eine Frage des Stolzes und der Ehre.

Moskau. Mit kriegerischen Tönen versucht der russische Ministerpräsident Wladimir Putin die verängstigte Bevölkerung nach den Anschlägen in der Moskauer U-Bahn aus ihrem Schockzustand zu reißen. Für die Sicherheitskräfte sei es jetzt eine Frage des Stolzes, die Drahtzieher des Doppelanschlags „aus dem Abwasserkanal ans Tageslicht zu zerren“, versprach Putin am Dienstag im Fernsehen. Er sei sicher, dass die Hintermänner gefunden würden.

Präsident Dmitri Medwedew schlug eine Verschärfung der Terrorgesetze vor, und einige Abgeordnete forderten die Wiedereinführung der Todesstrafe.

Am Tag nach den Selbstmordanschlägen wehten die Fahnen in Russland auf Halbmast. Das Fernsehen nahm Unterhaltungssendungen aus dem Programm, und auch entsprechende Veranstaltungen wurden abgesagt. In vielen Kirchen fanden Gedenkgottesdienste statt.

Die Sicherheitsvorkehrungen in Moskau und anderen Städten wurden verschärft. Zahlreiche Polizisten patrouillierten mit Maschinengewehren und Spürhunden an den U-Bahn-Stationen.

In den russischen Medien wurde über das Motiv der Attentäterinnen und ihrer Hintermänner diskutiert. So spekulierten Zeitungen, die Anschläge könnten ein Racheakt von Islamisten aus dem Nordkaukasus gewesen sein: Dort hatten russische Polizisten kürzlich einen Extremistenführer getötet. Die russischen Behörden vermuten tschetschenische Separatisten hinter den Anschlägen.

Medwedew lässt Terrorgesetze „perfektionieren“

Medwedew wies die Vorsitzenden des Verfassungsgerichts und des Obersten Schiedsgerichts an, Vorschläge zur „Perfektionierung“ der Terrorgesetze zu unterbreiten. Im Föderationsrat, dem Oberhaus des russischen Parlaments, wurden Rufe nach Wiedereinführung der Todesstrafe laut. „Das ist unsere Reaktion auf die tragischen Ereignisse von gestern“, sagte der Vorsitzende des Justizausschusses, Anatoli Kyskow, am Dienstag laut einer Meldung der amtlichen Nachrichtenagentur RIA Nowosti.

Russland hatte mit seinem Beitritt zum Europarat im Jahr 1996 ein Moratorium der Todesstrafe verhängt. Sie wurde jedoch nie formell abgeschafft, nicht zuletzt, weil sie von vielen Russen befürwortet wird.

„Niemand lächelt oder lacht“

Die Metro, in der zwei Selbstmordattentäterinnen am Vortag 39 Menschen in den Tod gerissen hatten, füllte sich ungeachtet des Terrorakts mit Pendlern. Die Spannung sei aber deutlich zu spüren, sagte die Studentin Alina Zaritowa. „Niemand lächelt oder lacht.“ Tatjana Jerofejewa, eine Moskauerin Anfang 50, möchte den Gedanken an die Anschläge am liebsten aus ihrem Kopf verbannen. „Wir müssen damit leben, wir dürfen nicht daran denken, erst recht nicht, wenn wir unter der Erde sind.“

Die beiden Selbstmordattentäterinnen hatten sich am Montagmorgen im Abstand von 45 Minuten in voll besetzten Metro-Zügen in die Luft gesprengt. Die Zahl der Todesopfer stieg am Dienstag auf 39 – eine Frau erlag im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen. Fünf weitere der mehr als 70 ins Krankenhaus eingelieferten Verletzten schwebten weiter in Lebensgefahr.