Erstmals wurde sowohl die polnische als auch die deutsche Nationalhymne gesungen. Die Zusammenarbeit soll weiter intensiviert werden.

Aachen. Wenn die Aachener den Karlspreis verleihen, dann gibt es nur ein Lied, das im Krönungssaal gesungen werden darf: „Urbs Aquensis“, die Hymne auf Karl den Großen. Beim Festakt für den polnischen Regierungschef Donald Tusk am Donnerstag brachen sie mit dem ungeschriebenen Gesetz. Zum ersten Mal in der Geschichte des Preises wurden zwei Nationalhymnen gesungen, die deutsche und die polnische. Eine tiefe Symbolik für eine Preisverleihung, die zu einer Demonstration der deutsch-polnischen Freundschaft wurde.

Selbst in der schlimmsten europäischen Krise blieb Bundeskanzlerin Angela Merkel Visionärin: Demokratie, Wahrung der Menschenrechte, nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum, stabile Währung, sozialer Frieden – das ist für sie das Europa der Zukunft. „Das 21. Jahrhundert kann Europas Jahrhundert werden“, sagt Merkel – unbeirrt vom existenziellen Kampf für den Euro. Eine besondere Rolle in diesem geeinten Europa komme zweifellos den deutsch-polnischen Beziehungen zu.

„Wir sind Nachbarn, die einander brauchen. Diese Wahrheit wurde in der Vergangenheit immer wieder missachtet“, sagte sie. Noch unter Tusks Vorgänger-Regierung von Jaroslaw Kaczynski hatte es zwischen Deutschland und Polen immer wieder Misstöne gegeben. Merkel erinnerte an den Zweiten Weltkrieg, an den Überfall der Deutschen auf Polen. Tusk sei überzeugt, dass Europa sein Gewicht für die Zukunft in die Waagschale werfen müsse, wenn sich „solche Schreckenszeiten“ nicht wiederholen sollen.

Die Laudatio fiel Merkel offensichtlich leicht. Merkel, die ihren „Freund“ in der Laudatio auch duzte, bot Tusk Unterstützung an, wenn Polen im nächsten Jahr den EU-Ratsvorsitz übernimmt. „Ich glaube, es wird Zeit für Deutschland und Polen unsere europapolitische Zusammenarbeit weiter zu intensivieren“, sagte die Kanzlerin. Beide Länder könnten ihre Zusammenarbeit zu einem wichtigen Stützpfeiler ausbauen. Der polnische Regierungschef, der als Patriot und großer Europäer mit dem renommierten Preis ausgezeichnet wurde, gestalte sein Land zu einem Kraftzentrum in Europa und sei mutig auf seine Nachbarn zugegangen.

Manchmal schien es, als ob dem jungen Staatsmann soviel Lob fast unangenehm sei. Ab und zu huschte ein Anflug von Lächeln über sein Gesicht. Wie sehr er die Art Integrationsfigur ist, die Europa sich wünscht, wurde deutlich, als er mit augenscheinlicher Freude den Preis annahm, ihn aber den Opfern der Flugzeugkatastrophe von Smolensk und der „Solidarnosc-Generation“ widmete.

Die „Solidarnosc-Generation“, damit meint er die Menschen, mit denen er 1980 in Danzig auf die Straße ging und damit das Ende des Kommunismus einleitete. Europa war immer in der polnischen Seele, machte Tusk deutlich. Seine Generation habe Glück gehabt. „Wir konnten unsere moralischen Vorstellungen und großen politischen Träume verwirklichen.“

Gemeinsames Wertesystem, Gemeinschaft, Solidarität – das ist für Tusk Europa, auch in der schlimmsten Krise. In einem Interview mit der Deutschen Welle kurz vor der Verleihung nahm er Griechenland in Schutz. Auch andere Länder aus dem harten Kern Europas hätten sich nicht an die Maastricht-Kriterien gehalten.