Brigadegeneral Frank Leidenberger würdigt Tapferkeit der gefallenen Bundeswehrsoldaten bei Trauerfeier in Masar-i-Scharif.

Masar-i-Scharif. Es gab keinen Befehl zur Teilnahme an der Trauerfeier. Und dennoch waren all jene der 4200 Soldaten rund um den Ehrenhain des Feldlagers der Internationalen Schutztruppe (Isaf) in Masar-i-Scharif angetreten, die für die Sicherheit des Camps entbehrlich waren. Delegationen aus 19 Nationen und fast alle der 2500 dort stationierten Deutschen verabschiedeten sich gestern von vier Kameraden, die drei Tage zuvor im Gefecht gegen die Taliban in der Provinz Baghlan gefallen waren.

Für 40 Minuten schien das Feldlager beim Gedenken an Oberstabsarzt Thomas Broer (33), Major Jörn Radloff (38), Hauptfeldwebel Marius Dubnicki (32) und Stabsunteroffizier Josef Kronawitter (25) den Atem anzuhalten. "Der Tod eines Kameraden ist ein Einbruch in der Gefühlswelt der Soldaten", sagte der evangelische Militärpfarrer Michael Weeke vor der Zeremonie. "Die Trauerfeier ist ein bewährtes Ritual, um den Verlust zu verarbeiten und danach den Auftrag fortsetzen zu können."

Nachdem die in Deutschlandflaggen gehüllten Särge auf kleinen Lastwagen, begleitet von einer Ehrengarde, eingefahren waren, hielten Weeke und der katholische Militärgeneraldekan Walter Wakenhut eine kurze Andacht. Dann verliehen Generalinspekteur Volker Wieker und der Kommandeur der deutschen Truppen in Afghanistan, Brigadegeneral Frank Leidenberger, den Gefallenen posthum die Einsatzmedaillen der Bundeswehr und enthüllten vier Gedenktafeln im Ehrenhain. In seiner Ansprache würdigte Wieker die Tapferkeit der deutschen Soldaten, die in den Gefechten mit den Taliban trotz schmerzlicher Verluste ihren Mann stünden. Aber er hatte auch eine Botschaft für die deutsche Öffentlichkeit. Es sei das Kalkül der Taliban, mit Anschlägen die Debatte in Deutschland zu bestimmen. "Das dürfen und werden wir nicht zulassen", sagte Wieker. Niemand solle an der Entschlossenheit und der Fähigkeit der Bundeswehr zweifeln, auf die veränderte Bedrohungslage im Norden des Landes zu reagieren.

Angesichts des Leids falle es ihm schwer, Worte des Trostes zu finden, sagte der Brigadegeneral. Er fühle eher Wut und Zorn über die "Heimtücke und Hinterlist" der Aufständischen, die jenseits aller Regeln des Völkerrechts Zivilisten als Schutzschilde missbrauchten und selbst vor gezieltem Beschuss eines Arztes nicht zurückschreckten. Vor allem aber fühle er Trotz: "Jeder Tote macht uns noch entschlossener in unserer Mission. Wir werden das, was wir schon erreicht haben, nicht aufgeben. Und wir werden diesen Kampf gewinnen." Die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung stehe hinter den internationalen Truppen.

Nach dem Abspielen des Trompetenstücks "Ich hatt' einen Kameraden" und der Nationalhymne begleitete die Ehrengarde die Särge durch ein Spalier von Hunderten von Soldaten zum Flugfeld. Von dort wurden sie in den Luftwaffenstützpunkt nach Usbekistan übergeführt. Sobald es die Wetterlage über Deutschland zulässt, sollen sie in die Heimat ausgeflogen werden. Dort wird Ende der Woche eine weitere Trauerfeier stattfinden. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat seine Teilnahme zugesagt. Die fünf in dem gleichen Gefecht mit den Taliban verwundeten Soldaten waren bereits am Freitag nach Istanbul gebracht worden, wo sie in einem US-Militärkrankenhaus behandelt werden. Ihr Weitertransport wird durch den gesperrten Luftraum ebenfalls behindert.

Für Unruhe vor der Trauerfeier sorgten vermeintliche Differenzen zwischen Deutschen und Amerikanern im Vorfeld des Einsatzes in Baghlan. Wie die "Bild am Sonntag" berichtete, soll Brigadegeneral Leidenberger als Kommandeur des Regionalkommandos für Nord-Afghanistan gegenüber dem US-geführten Isaf-Hauptquartier in Kabul schriftlich Bedenken gegen die Operation geäußert haben.

Tatsächlich gab es einen längeren Mail-Wechsel zwischen Leidenberger und dem Leiter des Kabuler Joint-Command-Büros, US-Generalleutnant David M. Rodriguez, in dem der Deutsche darauf hinwies, dass wegen des Kontingentwechsels keine maximale Unterstützung der Bundeswehr für eine Operation Mitte April möglich wäre. Die fehlenden Kräfte wurden dann allerdings von den Alliierten gestellt, womit den Bedenken der Deutschen Rechnung getragen wurde.

Derartige Abstimmungsverhandlungen gehörten zum normalen Alltag des internationalen Einsatzes, hieß es.