Berlin. Politologe Oliver Lembcke teilt die Kritik am Fernsehduell mit dem AfD-Mann nicht. Er glaubt, die Bundespolitik könne daraus lernen.

CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt und AfD-Rechtsaußen Björn Höcke haben sich am Donnerstagabend knapp fünf Monate vor der Landtagswahl in Thüringen zur besten Sendezeit im Studio des TV-Senders Welt einen heftigen Schlagabtausch geliefert. Politikwissenschaftler Oliver Lembcke von der Ruhr-Universität in Bochum über den Gewinner des Abends und warum das TV-Duell als Blaupause für den Bundestagswahlkampf dienen könnte.

Herr Lembcke, wie fanden Sie das TV-Duell?

Oliver Lembcke: Das Format gehört definitiv zu den Siegern des Abends. Man hat entgegen vielen Meinungen gesehen, dass Populisten und Extremisten wie Höcke, bei denen nachgefragt wird, was ihre Parolen bedeuten, ins Straucheln geraten. Zwar war das TV-Duell auch eine Bühne für Faschisten. Aber es geht darum, sie zu bekämpfen und das ist gestern Abend tendenziell gelungen. Das ist für mich als Wissenschaftler ein erfreuliches Ergebnis.

Wie würden Sie die Leistung von den beiden vergleichen?

Beide waren sehr gut vorbereitet und bis an die Zähne bewaffnet. Voigt war aus meiner Sicht Punktsieger. Er hat Höcke erfolgreich attackiert. Seine Strategie war offensichtlich, nicht moralisch den Extremismus von Höcke zu kritisieren, sondern die ökonomischen Kosten der AfD-Politik aufzuzeigen. Das hätte deutlich besser gelingen können, aber die Strategie war gut.

Prof. Dr. Oliver W. Lembcke ist Politikwissenschaftler und lehrt an der Ruhr-Uni in Bochum. Der Hochschullehrer war zuvor auch in Jena tätig und wurde in Thüringen mehrfach mit Hochschulpreisen ausgezeichnet.
Prof. Dr. Oliver W. Lembcke ist Politikwissenschaftler und lehrt an der Ruhr-Uni in Bochum. Der Hochschullehrer war zuvor auch in Jena tätig und wurde in Thüringen mehrfach mit Hochschulpreisen ausgezeichnet. © Lembcke | Lembcke

Und die Leistung von Höcke?

Es war interessant zu sehen, wie leicht Höcke ins Schwimmen gerät. Das war zum Teil auch das Ergebnis einer Moderation, die gut vorbereitet war. An einigen Stellen hat er den Faden verloren. An anderen Stellen hat er sich verbogen, zum Beispiel als er gesagt hat, dass Remigration bedeuten soll, Deutsche zurück ins Land zu holen. Das ist lächerlich! Man konnte Höcke live und in Farbe immer mal wieder beim Eiertanz zuschauen. Es war insgesamt kein schlechter Auftritt von Höcke, aber an einigen Stellen wurde er regelrecht demaskiert.

Glauben Sie, dass potenzielle AfD-Wähler das ebenfalls so sehen?

Vereinfacht gesagt, teilen sich AfD-Wähler in drei Gruppen auf. Es gibt die Gruppe der Hardcore-Fans: Systemfeindliche Extremisten, die rassistisch und völkisch sind. Die werden sich daran berauschen, was für tolle Sachen Herr Höcke gesagt haben soll. Die kann man nicht überzeugen. Dann gibt es die zweite Gruppe, die erzkonservativ und autoritär denkt. Ich weiß nicht, ob Voigt diese Gruppe erreichen kann. Die haben bis auf Weiteres genug von der CDU. Aber ich glaube, dass ihnen das unernste und spielerische Verhalten von Höcke im TV-Duell nicht gefallen hat.

Heftiger Schlagabtausch im Studio: Voigt gegen Höcke im TV-Duell

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    Und der dritte Teil besteht aus von der Regierung und Politik frustrierten Menschen. Für diese Wählergruppe war das aus Sicht der AfD kein guter Abend. Ich glaube, diesen Leuten sind Zweifel gekommen. Voigt hat diese Leute allerdings auch noch nicht gewonnen, da reicht kein einzelner Abend.

    Hat das Duell gezeigt, dass man die AfD entzaubern kann?

    Definitiv. Der Abend hat gezeigt, was von den AfD-Parolen bleibt, wenn man genauer nachfragt. Vorher haben viele Kritiker gesagt, dass man ihnen keine Bühne bieten soll. Doch kann man, um sie dann in einem Ringkampf mit Worten zu bezwingen. Das war ein guter Auftakt. Das kann ich nicht nur der CDU empfehlen, sondern auch den anderen Parteien.

    Spielt das der AfD trotzdem in die Karten, an so einem TV-Duell teilzunehmen?

    Sie kriegen eine nationale Aufmerksamkeit, die sie für ihre Zwecke nutzen können. Das ist schon richtig. Aber wenn der vermeintlich beste Vertreter der AfD in einem Duell mit Voigt, der sicherlich nicht als erste CDU-Wahl für ein Fernsehduell gehandelt wurde, unterliegt, dann sollte sich die AfD mal fragen, ob das für ihren Wahlkampf ein geeignetes Mittel ist.

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    Der Abend hat gezeigt, dass eine Auseinandersetzung mit dem rechten Rand möglich ist. Kritiker haben gesagt, der Diskurs der AfD wird normalisiert. Aber wenn man sagt: Das ist Rassismus und wir können das belegen, glaube ich, dass einige Leute anfangen daran zu zweifeln, die AfD zu wählen.

    Glauben Sie, dass man solche TV-Duelle auf Bundesebene wiederholen sollte?

    Selbstverständlich. Höcke ist ja im Prinzip schon das gefährlichste Angebot, das die AfD hat. Wer sonst? Warum sollt dann auf Bundesebene irgendjemand eine Diskussion mit Frau Weidel oder Herrn Chrupalla fürchten? Warum sollten sich die Grünen nicht mal einen blauen Minister in einem TV-Duell vornehmen? Allerdings ist die Ausgangslage in Thüringen eine andere. Da war aus Sicht der CDU fast Verzweiflung angesagt. Auf Bundesebene sieht das anders aus.

    Grundsätzlich – und das hat der Abend gestern gezeigt – ist das Format eines, in dem die CDU, und sehr wohl auch andere Parteien gewinnen können. Ob eine Partei das auch wirklich machen will, hängt ja stark von strategischen und taktischen Überlegungen ab. So wäre es die Frage, ob Friedrich Merz das Vorgehen kopieren sollte. Nach meiner Einschätzung eher nicht.

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