Berlin. Der schreckliche Terroranschlag auf eine Konzerthalle mit mehr als 60 Toten kratzt an Wladimir Putins Image als Garant für Sicherheit.

Wladimir Putin hat sich seit Beginn seiner Zeit als Präsident als starker Mann inszeniert, als einer, der für die Sicherheit im Land steht. Dieses Image ist immer wieder herausgefordert worden, durch Terroranschläge wie auf das Moskauer Dubrowa-Theater 2002 mit mehr als 130 Toten oder auf eine Schule im nordkaukasischen Beslan 2004 mit 331 Toten. Putin hat auf diese Anschläge mit harter Hand reagiert. „Die Schwachen werden geschlagen“, sagte er nach dem Angriff auf Beslan – und verordnete Russland neue, strengere Anti-Terror-Gesetze.

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Der neuerliche Terrorakt gegen die Besucherinnen und Besucher der Crocus City Hall lässt Putin darum schlecht dastehen. Der Inlandsgeheimdienst FSB wusste offenbar im Vorfeld nichts von den Terrorplänen – möglicherweise anders als US-Geheimdienste, die die Amerikaner in Russland schon vor zwei Wochen gewarnt hatten. Der Islamische Staat hat sich zu dem Anschlag mit mehr als 60 Toten und über 145 Verletzten bekannt, Experten halten das Bekennerschreiben für glaubhaft. Wenn es wirklich der IS war, könnte das ein Zeichen dafür sein, dass Putin die innenpolitischen Probleme mit islamistischen Gruppen über dem Krieg gegen die Ukraine aus dem Blick verloren hat.

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Terror in Moskau: Es läuft nicht so gut für Putin

Noch vor Kurzem hatte er sich auf einer Welle der Stärke gewähnt – frisch wiedergewählt (auch wenn niemand den Vorgang für eine freie Wahl gehalten hat), den Westen verhöhnend wegen der stockenden Unterstützung für die Ukraine, die Opposition in Russland zurechtgestutzt.

Crocus City Hall bei Moskau: Der Terroranschlag kratzt an Putins Image als Garant für Sicherheit.
Crocus City Hall bei Moskau: Der Terroranschlag kratzt an Putins Image als Garant für Sicherheit. © imago/Russian Look | IMAGO/Sergey Petrov

Doch es gibt – neben dem Anschlag auf die Crocus City Hall – Anzeichen, dass es nicht so gut läuft für Putin. Die Angriffe kremlfeindlicher, pro-ukrainischer Milizen auf russische Infrastruktur, vor allem Öl-Raffinerien, haben zuletzt deutlich zugenommen. Bei Angriffen auf die Grenzregion um Belgorod hat es in den vergangenen Tagen und Wochen immer wieder massive Schäden, zum Teil auch Tote und Verletzte gegeben. Putins Versprechen, die Russen zu schützen und trotz des Krieges gegen die Ukraine einen normalen Alltag zu ermöglichen, kann er hier derzeit nicht einhalten.

Und auch wenn das Wahlergebnis betörend gut für ihn ausgefallen ist, kann es doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass etliche Menschen sich einem stillen Protest angeschlossen haben – still, aber sichtbar. Denn zur Beisetzung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny kamen deutlich mehr Menschen als Beobachter erwartet hatten. Die Bilder vom Friedhof kann Putin nicht ausradieren.

Die Aufnahmen der in Flammen aufgehenden Konzerthalle und der schießenden Terroristen sind da nur ein weiterer Makel in Putins angekratztem Image, wenn auch ein großer. Es steht zu befürchten, dass Putin seiner Linie treu bleibt – und Rache üben wird. Die Frage ist nur, gegen wen. Denn das IS-Bekennerschreiben wollte man in Moskau nicht für voll nehmen, stattdessen könne eine Beteiligung der Ukraine nicht ausgeschlossen werden, hieß es. Für Putin wäre es strategisch viel günstiger, wenn er den Anschlag den Ukrainern zuschieben könnte. Es könnte die perfekte Rechtfertigung sein, stärker zu mobilisieren. Ein islamistischer Terrorakt passt da nicht ins Konzept.