Berlin. Für den Experten Peter Neumann sind die Proteste gegen die AfD eine Chance. Doch er warnt davor, pauschal „gegen rechts“ vorzugehen.

Peter Neumann hat mehrere Bücher über Radikalisierung geschrieben. Der Extremismus-Forscher vom Londoner King‘s College weiß, wie Menschen in extreme Zirkel geraten. Und wie sie sich daraus wieder befreien können. Neumann bewertet die Demonstrationen von Hunderttausenden in Deutschland gegen Rechtsextreme und die AfD als sehr positiv. Neumann ist selbst Mitglied in der CDU, und politisch für die Partei im Wahlkampf 2021 aktiv gewesen. Er sagt: „Gute Politik ist das zentrale Heilmittel gegen Populismus und Extremismus.“

Hunderttausende demonstrieren in ganz Deutschland gegen AfD und Rechtsextreme. Wie ordnen Sie die Proteste ein?

Peter Neumann: Die Demonstrationen sind erfolgreich und gut. Erstmals seit vielen Jahren stehen Menschen auf gegen Anti-Demokraten. Das zeigt: Die Medienberichte über das vermeintlich geheime Treffen von AfD mit Rechtsextremen in Potsdam hat die Radikalisierung der AfD erstmals sehr offensichtlich gemacht. Bisher wurde die AfD abstrakt als rechtsextreme Partei wahrgenommen, nun aber füllt sich diese Gefahr sehr konkret mit der Forderung nach der Ausweisung von Millionen von Menschen aus Deutschland. Diese extreme und sehr konkrete Politik bringt die Menschen auf die Straße.

Terrorismusforscher Peter R. Neumann will Protest nicht gegen „links“ oder „rechts“, sondern gegen Extremisten.
Terrorismusforscher Peter R. Neumann will Protest nicht gegen „links“ oder „rechts“, sondern gegen Extremisten. © dpa | Ina Fassbender

Wie nachhaltig ist der demokratische Protest?

Der Protest wird sicher nicht auf ewige Zeit anhalten. Und in einem Punkt ist die Organisation der Demonstrationen auch nicht nachhaltig. Sie nennen es „Protest gegen rechts“. Es wäre aber gut, wenn die Demonstrationen sich nicht „gegen rechts“, sondern gegen Rechtsextremisten richten. Rechts und links, das sind erstmal legitime politische Spektren. Die Gefahr ist immer der Extremismus, und dagegen muss der Protest stehen.

Was kann der Protest gegen die AfD bewirken?

Die Demonstrationen werden aus ideologisierten Neonazis keine Demokraten machen, es geht auch nicht darum, Björn Höcke zu überzeugen. Das wäre naiv. Aber: 50 Prozent oder mehr der AfD-Wähler haben eben genau kein gefestigt rechtsextremes Weltbild. Der aktuelle Protest wird diese Menschen zum Nachdenken anregen, ihnen zeigen, dass die AfD nicht in der Mehrheit in Deutschland ist. Es ist ein Nachdenk-Effekt, der Menschen zum Zögern bringen kann.

Hunderttausende demonstrieren in diesen Tagen in Deutschland gegen die Politik der AfD.
Hunderttausende demonstrieren in diesen Tagen in Deutschland gegen die Politik der AfD. © AFP | MICHAELA STACHE

Was sind neben Protest andere Mittel gegen Rechtsextremismus?

Mein aktuelles Buch heißt „Logik der Angst“, und genau darum geht es. Die Logik der Angstmache muss von den demokratischen Parteien durchbrochen werden – und zwar bevor die AfD an die Macht kommt. Die Rechtsextremen werden sich nicht entzaubern, wenn sie regieren. Im Gegenteil: Die Beteiligung rechtsextremer Parteien an der Macht legitimiert sie weiter. Wichtig ist, dass die demokratische Mitte jetzt Handlungsfähigkeit beweist. Viele Menschen in Deutschland sind frustriert, haben das Gefühl, sie werden nicht gehört. Sie haben den Eindruck, dass ihre Probleme nicht gelöst werden. Genau hier heißt es für die Politik: Handeln und erklären – gute, an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Politik ist das zentrale Heilmittel gegen Populismus und Extremismus.

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