Berlin. Unerbittlich übt der Mossad Rache an Israels Feinden: Über einen gnadenlosen Geheimdienst, der stets für eine filmreife Aktion gut ist.

Saleh al-Arouri ist tot. Ermordet. Niemand bekennt sich zum Anschlag. Aber alle wissen, wer dem Hamas-Funktionär den Tod gewünscht hat: Israel. Er galt als Mastermind hinter zahlreichen Anschlägen. Damit geriet er ins Visier des Mossad.

Kaum ein Staat kommt ohne Geheimdienst aus. Für Deutschland beschafft der Bundesnachrichtendienst (BND) Informationen. Aber er hat nicht die Lizenz zum Töten, andere schon. Der KGB, die CIA. Und der Mossad.

Der Mossad steht für den Überlebenskampf Israels

In Israel wird meist nichts bestätigt, nichts dementiert, und doch – gerade deswegen? – ranken sich um den Dienst Legenden und tritt er immer wieder aus dem Schatten heraus. Viele Aktionen werden ihm zugerechnet, zugetraut wird ihm alles, auch Mord.

Die Israelis sind von Feinden umgeben. Auch wenn die Waffen schweigen, wähnen sie sich im Krieg. Wer sich mit ihnen anlegt und eine Schwelle überschreitet, dem droht der Mossad Vergeltung an. Unerbittlich steht er für den Überlebenskampf Israels. Nach dem Massaker vom 7. Oktober kündigte Geheimdienstchef David Barnea an, mit Planern, Mördern und Auftraggebern abzurechnen.

Der Mossad macht sich gern groß

Wenn ihr Sohn am Gemetzel vom 7. Oktober direkt oder indirekt teilgenommen habe, solle jede arabische Mutter wissen, „dass Blut über sein Haupt kommen wird“, sagte er und zitierte damit einen Vers aus dem Buch Josua. Barnea sprach die Drohung bei der Beerdigung des früheren Mossad-Chefs Zvi Zamir aus.

Alles ist mit Bedacht gewählt, Anlass und Vers, auch die Offenheit. Der Vers führt zum Selbstverständnis des Dienstes. Der Mossad ist nicht zuletzt ein Racheengel. „Zorn Gottes“ lautete der Codename einer der berüchtigsten Operationen.

Geleitet wurde sie vom Mann, den Barnea zu Grabe trug, dem gerade erst verstorbenen Zvi Zamir. Er leitete eben jene Operation „Zorn Gottes“: Die Israelis spürten die Akteure des Münchner Olympia-Attentats 1972 auf und brachten einen nach dem anderen um, insgesamt 20 Zielpersonen und – irrtümlich – einen Unschuldigen (Lillehammer-Affäre). Sie brauchten viele Jahre dafür. Aber der Geheimdienst ließ nicht locker. Der Mossad vergisst nicht, verzeiht nicht – nichts verjährt, nichts soll ungesühnt blieben. Und das sollen ruhig alle wissen. Das offene Geheimnis ist Teil der Abschreckung.

1972 sorgte das Olympia-Attentat weltweit für Aufsehen. Wenige Jahre später waren die meisten Täter tot – viele mutmaßlich durch den Mossad getötet.
1972 sorgte das Olympia-Attentat weltweit für Aufsehen. Wenige Jahre später waren die meisten Täter tot – viele mutmaßlich durch den Mossad getötet. © picture-alliance/dpa | epu

Von einer „Informationswaffe“ spricht ein langjähriger Geheimdienstmann, der viel mit dem Mossad zu tun hatte. Er sagte unserer Redaktion, „in dem Kulturraum dreht sich viel um das Ansehen, um den Ruf“. Deswegen gehe der Mossad mit Informationen wie mit einer Waffe um. Der Mossad mache sich nicht klein. Der Mossad mache sich groß.

Israels Geheimdienst: „Wenn die ein Ziel haben, geben die nicht auf“

Wie groß er wirklich ist, darüber gehen die Schätzungen weit auseinander. Groß soll jedenfalls der Zusammenhalt sein. Dort herrsche eine „irre Kameradschaft“. Er habe bei seinen Gesprächen nie erlebt, „dass jemand beim Mossad schlecht über einen anderen im Dienst geredet hat“, sagt unsere Informant.

Der Mossad ist auch auf Dienste anderer angewiesen. Er braucht die Hilfe der Partner, mal mit Pässen, mal mit konspirativen Wohnungen, mal mit einem Ort zur Zwischenlandung, wo Agenten die Identität wechseln. Der Mossad sei extrem erfolgreich. Woran das liegen könnte? Wenig Bürokratie und Controlling, kaum Rivalitäten oder Lecks, dazu dieser unbeugsame Wille. „Wenn die ein Ziel haben, geben die nicht auf.“ Geht nicht, gibt es nicht. Der Steckbrief des Mossad:

  • Gegründet am 13. Dezember 1949] durch Ministerpräsident David Ben-Gurion
  • Hauptsitz: Tel Aviv.
  • Motto: „Wo nicht weiser Rat ist, da geht das Volk unter; wo aber viele Ratgeber sind, findet sich Hilfe“
  • Partnerdienste: Schin Bet (Inland) und Aman (Militär).
  • Personalstärke und Struktur: Unbekannt. Schätzungen schwanken zwischen 1200 bis 7000 Mitarbeitern.
  • Behördenleiter: seit 2018 David Barnea

Diese Kommando-Aktionen sollen auf das Konto des Mossads gehen

Zum Mythos Mossad trug nicht nur die Operation „Zorn Gottes“ nach Olympia 1972 bei, sondern zuvor schon die Entführung des Naziverbrechers Adolf Eichmann. Er wurde 1960 in Argentinien aufgespürt, betäubt und geschminkt, mit falscher Identität und ärztlichem Attest an Bord einer Regierungsmaschine verschleppt. In Israel wurde ihm der Prozess gemacht, Eichmann zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Adolf Eichmann, hier während seines Prozesses in Israel, wurde durch den Mossad entführt.
Adolf Eichmann, hier während seines Prozesses in Israel, wurde durch den Mossad entführt. © IMAGO | United Archives International

Das nächste Rachekommando gelang dem Mossad fünf Jahre später in Brasilien, wo sie einen Nazikollaborateur, den sie für die Ermordung von 30.000 lettischen Juden für verantwortlich hielten, ins benachbarte Uruguay lockten und ihm zwei Kugeln in den Kopf verpassten.

Kein Agententhriller aber ein Coup war die Beschaffung eines sowjetischen Kampfjets vom Typ MiG-21. 1966 brachte der Mossad einen irakischen Piloten dazu, nach Israel zu fliegen, während man gleichzeitig seine Familie außer Landes brachte.

Ein Drehbuch für Hollywood: Operation Entebbe

Anfang der 60er Jahre wurden mehrere Anschläge auf deutsche Ingenieure verübt, die an einem ägyptischen Raketenprogramm arbeiteten. Jahrzehnte später wird auf die Israelis auch das Computervirus Stuxnet zurückgeführt, mit dem das iranische Atomprogramm sabotiert wurde. Bei einigen ungeklärten Todesfällen iranischer Atomwissenschaftler wähnen viele den Mossad als Auftraggeber.

Wie ein Thriller und tatsächlich auch verfilmt: die Operation Entebbe 1976. Dabei befreiten die Israelis die Passagiere einer entführten Air-France-Maschine. Der Mossad spielte eine Rolle, aber geleitet wurde die Operation vom militärischen Geheimdienst.

Als gesichert gilt das Mordkomplott gegen den Hamas-Funktionär Mahmud al-Mabhuh. Ihn hat der Mossad im Januar 2010 im Al-Bustan-Rotana-Hotel in Dubai umbringen lassen. Dank der Überwachungskameras wurden die Agenten (nach ihrer Flucht) des Exekutionskommandos allerdings identifiziert. Sogar beim Mossad läuft nicht alles nach Plan.

Das könnte Sie auch interessieren: Hisbollah-Tunnelsystem bedrohlicher als bei Hamas