Beirut. Hamas wirft Israel die Tötung dreier hochrangiger Funktionäre im Libanon vor. Die radikal-islamische Hisbollah könnte nun eingreifen.

Nach dem Tod eines Topkommandeurs der Hamas im Libanon steigt die Furcht vor einer weiteren Eskalation im Nahost-Konflik. Neben der strategischen „Nummer zwei“ der Hamas, Saleh al-Arouri, wurden am Dienstagabend zwei weitere hochrangige Funktionäre durch eine Explosion in der Hauptstadt Beirut getötet, wie die Terrororganisation bekannt gab. Israels Militärführung gab am Abend keinen offiziellen Kommentar zu dem Militärschlag mit insgesamt sechs Toten ab. Im Interview mit dem US-Sender MSNBC dementierte der Sicherheitsberater der israelischen Regierung, Mark Negev, jede Verantwortung. Unterdessen kündigte die Hisbollah-Miliz im Libanon Vergeltung an: „Dieses Verbrechen wird niemals ohne Antwort oder Strafe vorübergehen.“ Nach der Attacke scheinen weitere Gefangenenaustausche zwischen Israel und der Hamas aussichtslos.

Derweil verdichten sich die Hinweise, dass es sich nicht um ein Unglück handelt – sondern um einen gezielten Schlag der israelischen Armee. Die Hamas beschuldigte sie, für den Angriff verantwortlich zu sein: „Der Vizepräsident des Politbüros der Hamas, Scheich Saleh Al-Arouri, wurde bei einem zionistischen Angriff in Beirut zum Märtyrer“. Israels Sicherheitsberater Mark Regev bestritt die Vorwürfe, versuchte gleichzeitig die Wogen zu glätten: „Wer auch immer das getan hat, es muss klar sein, dass dies keine Attacke auf den libanesischen Staat war. Es war nicht einmal eine Attacke auf die Hisbollah.“ Bei dem Anschlag auf den Leiter des Politbüros starben auch die Kommandeure der Kassam-Brigaden, Samir Findi Abu Amer und Assam Al-Akraa Abu Ammar sowie al-Arouris Leibwächter.

Libanons geschäftsführender Premierminister Najib Mikati verurteilte das vermeintlich „israelische Verbrechen“ in einer Erklärung. Er beschuldigte die Regierung des Nachbarlandes zudem, den Libanon in eine neue Phase der Konfrontation zwingen zu wollen. Der libanesische Militärexperte und frühere General Chalil Hilo bezeichnete die Situation unterdessen als „sehr gefährlich“. Die Hisbollah werde einen „Angriff in ihrer Hochburg in Beirut nicht tolerieren“. Berichten der israelischen Tageszeitung Ha‘aretz zufolge torpediert der Drohnenschlag weitere Verhandlungen um die am 7. Oktober im Grenzgebiet Gazas gefangen genommenen Geiseln mit Berufung auf arabische Diplomatenkreise.

Explosion in Beirut: Getöteter Hamas-Anführer galt als Anschlagsziel

Die Explosion ereignete sich vor einem Büro der Hamas und Polizeikreisen zufolge in einem südlichen Stadtteil Beiruts, in dem die Miliz Hisbollah stark vertreten ist. Al-Arouri, den Israel als Drahtzieher von Anschlägen im Westjordanland sah, galt schon länger als mögliches Ziel für einen Anschlag. Er soll für die Aktivitäten des militärischen Hamas-Arms im Westjordanland verantwortlich gewesen sein.

Augenzeugen sagten, zunächst sei ein Gebäude vom Angriff einer Drohne getroffen worden und dann ein Auto, aus dem Zivilschützer nach dem Brand eine verkohlte Leiche zogen. Libanesische Medien berichteten, al-Arouri sei in einer Wohnung getötet worden. Aus Hamas-Quellen hieß es, in der Gegend habe eine Palästinensergruppe am Abend ein Treffen abgehalten.

Bei einer Explosion in Beirut soll der stellvertretende Leiter des Politbüros der islamistischen Hamas, Saleh al-Arouri, ums Leben gekommen sein.
Bei einer Explosion in Beirut soll der stellvertretende Leiter des Politbüros der islamistischen Hamas, Saleh al-Arouri, ums Leben gekommen sein. © DPA Images | Nariman El-Mofty

Videos nach der Explosion in Beirut zeigten mindestens ein brennendes Auto nahe einer belebten Straße. Auch Sirenen von Krankenwagen waren zu hören. Über der Gegend stieg weißer Rauch auf.