Moskau. Wochenlang gab es von dem Kreml-Kritiker kein Lebenszeichen. Nun ist Nawalny wieder aufgetaucht – an einem düsteren Ort.

Alexej Nawalny ist offenbar wieder aufgetaucht. Er sei in die Strafkolonie IK-3 im Dorf Charp, im autonomen Kreis Jamal-Nenzen, verlegt worden. Das teilte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch mit. IK-3, auch bekannt unter den Namen „Troika“ oder „Polar Wolf“, ist die nördlichste Strafkolonie Russlands. Nach Jarmyschs Angaben hat ein Anwalt Nawalny am Montag sehen können. Es gehe ihm gut. Eine Bestätigung dieser Angaben durch die russischen Strafvollzugsbehörden gibt es bislang nicht.

Das Straflager ist knapp 2000 Kilometer von Moskau entfernt im arktischen Norden Russlands. Nawalnys Anwalt Iwan Schdanow dankte inzwischen Unterstützern, Aktivisten, Journalisten und Medien, die sich um Nawalnys Schicksal sorgten und nicht müde wurden, über die Situation zu berichten.

Wochenlang war sein Team in tiefer Sorge. Seit dem 6. Dezember gab es keine Hinweise auf Verbleib und Gesundheitszustand des Kreml-Kritikers. Spekulationen über eine ernsthafte Erkrankung machten die Runde. Zuvor war Nawalny in der Strafkolonie Nr. 6 im Dorf Melechowo, 260 Kilometer östlich von Moskau, inhaftiert. Laut Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch sagten dortige Mitarbeiter Nawalnys Anwälten, dass er „nicht mehr bei ihnen gelistet“ sei. Auch in der Strafkolonie Nr. 7 sei er nicht, erfuhren die Anwälte. Nawalny hatte zuvor bei einer gerichtlichen Anhörung gefehlt, zu der er per Video zugeschaltet werden sollte. Die Behörden hatten dies mit einer Panne der Stromversorgung begründet.

Nawalny soll zum Schweigen gebracht werden.
Nawalny soll zum Schweigen gebracht werden. © DPA Images | Alexander Zemlianichenko

Alexej Nawalny: Justiz geht mit immer neuen Vorwürfen gegen Kreml-Kritiker vor

Im August war Nawalnys ursprünglich neunjährige Haftstrafe wegen „Extremismus“ auf 19 Jahre erhöht worden. Das Gericht ordnete zudem seine Überführung in eine Strafkolonie mit schärferen Haftbedingungen an. Enge Mitarbeiter wurden inhaftiert oder flohen ins Ausland. Nawalny weist alle Vorwürfe als politisch motiviert zurück: Sie zielten darauf ab, seine Kritik an Präsident Wladimir Putin zu unterbinden. Anfang Dezember hatte die russische Justiz weitere Beschuldigungen gegen Nawalny vorgebracht. Die Behörden werfen ihm Vandalismus vor, was eine weitere Haftstrafe von drei Jahren mit sich bringen könnte, wie Nawalnys Team mitgeteilt hatte.

Überführungen von einem Straflager zum anderen dauern in Russland häufig mehrere Wochen. Die Häftlinge legen die Strecke per Zug zurück, wobei die Reise oft in mehreren Etappen stattfindet. Während dieser Überführungen haben Angehörige und Anwälte keinen Kontakt zu den Häftlingen. Die Straflager mit besonders harten Bedingungen liegen oft in entlegenen Regionen.

Wahl in Russland: Nawalny-Anhänger kleben Plakate

Während Alexej Nawalny verschwunden war, bereitet sich sein Team, das im Ausland lebt, auf die Präsidentschaftswahl im kommenden März vor. In Moskau, Sankt Petersburg und Nowosibirsk hatten Nawalnys Anhänger dem Online-Portal Meduza zufolge Plakate angebracht, auf denen für eine Kampagne gegen den russischen Präsidenten geworben wird.

Auf diesen Plakaten ist ein QR-Code zu sehen, der auf die Website „Russland ohne Putin“ führt. Betrieben wird die Seite von Nawalnys Antikorruptionsfond FBK. Zumindest in Moskau sind die Nawalny-Plakate inzwischen verboten.

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