Berlin. Endlich fordert die EU „humanitäre Pausen“ für Gaza. Denn die gesamte Bevölkerung wegen des Hamas-Terrors abzustrafen, ist ungerecht.

Es war eine schwere Geburt: Nach langem Ringen hat die EU mit Blick auf die desaströse Lage im Gazastreifen eine gemeinsame Position gefunden. Die Europäer fordern nun „humanitäre Pausen“ und „humanitäre Korridore“ für die Versorgung der Zivilbevölkerung mit Hilfsgütern. Die Einigung auf den Formelkompromiss hat so lange gedauert, weil beim Gipfel in Brüssel zwei Lager im Clinch lagen. Länder wie Spanien, Belgien und Irland warben massiv für einen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas. Die andere Gruppe um Deutschland, die Niederlande und Tschechien lehnte das ab, weil dadurch Israels Recht auf Selbstverteidigung gegen den Hamas-Terror eingeschränkt sei.

Michael Backfisch, Politik-Korrespondent.
Michael Backfisch, Politik-Korrespondent. © Reto Klar | Reto Klar

Der EU-Appell für die Einrichtung von Feuerpausen ist richtig. Er hat zusätzliches politisches Gewicht, weil auch die USA dahinterstehen. Hunderttausende Menschen, die aus dem Norden des Gazastreifens in den Süden geflohen sind, leben unter prekären Bedingungen. Sie haben kein Obdach, kaum Nahrung und Medikamente. Die israelische Regierung hat nach den grausamen Attacken der Hamas am 7. Oktober den Gazastreifen komplett abgeriegelt: Weder Nahrung, Wasser, Arzneimittel noch Strom gelangten in die Küstenenklave. In Krankenhäusern konnte nicht operiert werden.

Diese Brachialmaßnahme mag nach dem Schock der Hamas-Gräueltaten zunächst als Vergeltungsreflex erklärbar sein. Aber sie ist moralisch und politisch ein Fehler. Gewiss: Israel hat das Recht, die Drahtzieher des Terrors und ihre Netzwerke aus dem Weg zu räumen. Aber die gesamte Zivilbevölkerung für die Terrorakte der Islamisten abzustrafen und ins Elend zu stürzen, ist ungerecht.