Magdeburg. Die AfD wählt in Magdeburg ihre Liste für die Europawahl 2024. Die Kandidaten an der Spitze befinden sich stramm auf völkischem Kurs

Die Nacht war wieder kurz. Es wurde noch einmal gefeilscht, gestritten und ja, auch getrunken in den Hotels von Magdeburg. Nun, es ist Samstagmittag, steht Maximilian Krah auf der riesigen, blauen Bühne der Messehalle. Über ihm steht das Motto des AfD-Parteitags: „Bereit für mehr.“ Es ist erkennbar auch seine Tageslosung.

Die AfD, ruft Krah, müsse eine echte Alternative für Deutschland sein – und keine Partei, die sich nur mit selbst beschäftige. „Wollt ihr das Opfer von monatelangen Schmutzkampagnen sein? Ist es nicht mal an der Zeit, den Dreckwerfern endlich mal die rote Karte zu zeigen?“ Der Saal erbebt vom Beifall der 600 Delegierten. Sie wollen in Magdeburg die Liste für die EU-Wahl im Juni 2024 wählen – und Krah tritt als Spitzenkandidat an.

AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah: Eine besonders schillernde Figur

Der 46 Jahre alte Rechtsanwalt aus Sachsen, der 2016 aus der CDU in die AfD wechselte und seit 2019 im EU-Parlament sitzt, ist eine besonders schillernde Figur. In seiner Dresdner Kanzlei hatte sich der Katholik darüber gekümmert, das Vermögen der Pius-Bruderschaft – einer Priestervereinigung katholischer Traditionalisten – in Steueroasen zu parken.

ParteiAlternative für Deutschland (AfD)
Gründung6. Februar 2013
IdeologieRechtspopulismus, Nationalkonservatismus, EU-Skepsis
VorsitzendeTino Chrupalla und Alice Weidel (Stand: April 2023)
Fraktionsstärke83 Abgeordnete im Bundestag (Stand: April 2023)
Bekannte MitgliederJörg Meuthen (ehemals), Alexander Gauland, Björn Höcke

Als Abgeordneter fiel er durch besonders große Nähe zu China auf und schaffte es gleich zweimal von der rechtsidentitären Fraktion im Europaparlament suspendiert zu werden. Zuletzt wurden ihm Unregelmäßigkeiten bei Ausschreibungen vorgeworfen, was er bestreitet. Dennoch wird Krah wenige Stunden später zum Spitzenkandidaten gewählt. Sein Gegenkandidat, ein Berliner Lokalpolitiker, bleibt chancenlos.

Protest gegen die AfD: Einige Hunderte Menschen in Magdeburg

Einige Stunden zuvor am Samstagmorgen. Rund um das Magdeburger Messegelände sind mehrere Dutzend Einsatzfahrzeuge der Polizei postiert. Doch die Beamten haben nichts zu tun. Nachdem am Freitag etwa 50 Gegendemonstranten gekommen waren, ist nun nirgendwo mehr Protest zu erkennen. Später wird das Bündnis „Solidarisches Magdeburg“ mehrere Hundert Menschen in der Stadt mobilisieren. Doch die Delegierten bekommen davon nichts mit, zumal sie vor Beginn eines potenziell zermürbenden Wahlmarathons stehen.

Denn obwohl über die EU-Liste seit Monaten auf allen Parteiebenen geredet wurde, ist auch kurz vor der Wahl auf dem Parteitag ein Konsens nicht ansatzweise erzielt. Viele erwarten einen offenen und vor allem zähen Kampf. Auch Björn Höcke ist ist inzwischen vor Ort. Es gab Mutmaßungen, dass er tags zuvor nicht den von ihm abgelehnten Beschluss zum Beitritt der AfD in die europäische ID-Partei beiwohnen wollte.

Björn Höcke (links) und Tino Chrupalla während des AfD-Parteitags in Magdeburg.
Björn Höcke (links) und Tino Chrupalla während des AfD-Parteitags in Magdeburg. © Silas Stein/dpa

Höcke zeigt seine Macht in der AfD

Was aber ebenso plausibel wirkt: Der Thüringer Landeschef kommt erst, wenn es wichtig wird. So demonstriert er seine Macht in der in Teilen rechtsextremen AfD. Höckes völkisch-rechtsextremistische Lager dominiert längst die Partei. Das zeigte sich schon auf den Bundesparteitagen in Dresden und Riesa – und es zeigt sich auch in Magdeburg

ParteiAlternative für Deutschland (AfD)
Gründung6. Februar 2013
IdeologieRechtspopulismus, Nationalkonservatismus, EU-Skepsis
VorsitzendeTino Chrupalla und Alice Weidel (Stand: April 2023)
Fraktionsstärke83 Abgeordnete im Bundestag (Stand: April 2023)
Bekannte MitgliederJörg Meuthen (ehemals), Alexander Gauland, Björn Höcke

Auf die drei Spitzenplätze der Liste werden ausschließlich Vertreter seines Kurses gewählt: Neben Krah sind es der bayerische Bundestagsabgeordnete Petr Bystron und Höckes Thüringer Landesparteivize René Aust. Die Völkischen haben sich durchgesetzt können die Posten vor allem unter sich verteilen.

Doch es geht beim AfD-Parteitag nicht nur um die Kandidaten. Ganz am Ende, nach der Listenwahl, muss auch ein Programm beschlossen werden, dass die Gewählten dann nachträglich verinnerlichen sollen. Im Entwurf des Leitantrages wird die Auflösung der EU gefordert – was aber laut der Programmkommission angeblich ein „redaktionelles Versehen“ war. Der Bundesvorstand will die Forderung mit einem Änderungsantrag wieder streichen.

Streit um die EU-Frage: Wohin steuert die AfD?

Zwar sei die jetzige Union „zutiefst undemokratisch und übergriffig“, sagt Parteichefin Alice Weidel im Magdeburg. Aber: „Wir treten ein für die Stärkung der Nationalstaaten innerhalb der EU. Das sieht Höcke erkennbar anders. „Diese EU muss sterben, damit Europa leben kann“, sagt er in der Messehalle in die Kamera des Senders „phoenix“. Die Europäische Union sei „eine Globalisierungsagentur“, welche „die vielfältige europäische Kultur gleichschaltet“.

Aber dieser Streit ist noch zu führen. Im Vordergrund steht zunächst die Wahl der Spitzenkandidaten, die Krah mit knapp 66 Prozent für sich entscheidet. Auch René Aust, der persönlich von seinem Landeschef Höcke vorgeschlagen wird, setzt sich mit Zweidrittel-Mehrheit gegen eine frühere Mitstreiterin des inzwischen ausgetretenen Ex-Parteichef Jörg Meuthen durch.

Bildergalerie: Die wichtigsten Mitglieder der AfD im Überblick

AfD: Das sind die wichtigsten Politikerinnen und Politiker

Seit 2019 ist Tino Chrupalla Bundesvorsitzender – in seiner Partei Bundessprecher – der AfD.
Seit 2019 ist Tino Chrupalla Bundesvorsitzender – in seiner Partei Bundessprecher – der AfD. © Funke Foto Services | Sascha Fromm
Sie ist eines der wohl bekanntesten Gesichter der AfD: Bundessprecherin Alice Weidel.
Sie ist eines der wohl bekanntesten Gesichter der AfD: Bundessprecherin Alice Weidel. © FUNKE Foto Services | Reto Klar
Alexander Gauland ist heute Ehrenvorsitzender der AfD. Er ist Gründungsmitglied der Partei und war vorher in der CDU aktiv.
Alexander Gauland ist heute Ehrenvorsitzender der AfD. Er ist Gründungsmitglied der Partei und war vorher in der CDU aktiv. © Tobias SCHWARZ/AFP | Unbekannt
Björn Höcke ist Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag von Thüringen. Er gilt als rechtsextrem und wird vom Verfassungsschutz überwacht.
Björn Höcke ist Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag von Thüringen. Er gilt als rechtsextrem und wird vom Verfassungsschutz überwacht. © Thueringer Allgemeine | Sascha Fromm
Genau wie Höcke gilt auch Stephan Brandner, stellvertretender Bundessprecher der AfD, als Teil des völkisch-nationalistischen Flügels seiner Partei.
Genau wie Höcke gilt auch Stephan Brandner, stellvertretender Bundessprecher der AfD, als Teil des völkisch-nationalistischen Flügels seiner Partei. © FUNKE Foto Services | Zoltan Leskovar
Er führt die AfD als Spitzenkandidat in den Europawahlkampf: Maximilian Krah.
Er führt die AfD als Spitzenkandidat in den Europawahlkampf: Maximilian Krah. © Jens Schlueter/Getty Images | Unbekannt
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Krah: "Wir wollen ganz Deutschland zu einem großen Sonneberg machen"

Der Thüringer, der wie Höcke eigentlich aus Nordrhein-Westfalen stammt, warnt in seiner Rede davor, dass Millionen Menschen aus Afrika nach Europa kommen könnten. Die Botschaft des Parteitags müsse also sein: „Ihr werdet diesen Kontinent nicht zu eurer Heimat machen!“ Aust ist Chef des Südthüringer AfD-Regionalverbands, der neben dem Landkreis Sonneberg liegt, wo seit einigen Wochen der erste AfD-Landrat amtiert.

Robert Sesselmann wurde in Magdeburg als Held der Partei gefeiert und signierte im Akkord die Wahlplakate mit seinem Konterfei. Aber das soll, wie Alice Weidel ruft, „nur der Anfang“ sein. Auch Spitzenkandidat Krah, sagt, dass die AfD mit den gut 20 Prozent der AfD in den bundesweiten Umfragen „nicht zufrieden“ sein dürfe. „Wir wollen ganz Deutschland zu einem großen Sonneberg machen!“