Mit den Stimmen der Ampel-Fraktion beschließt der Bundestag eine Reform des Einwanderungsrechts. Scharfe Kritik kommt von der Union.

Die Ampel-Koalition hat im Bundestag erfolgreich ein neues Einwanderungsrecht beschließen können. Konkret wurde eine Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes sowie eine Ausweitung der sogenannten Westbalkanregelung vom Bundestag verabschiedet. Deutschland werde durch die Verabschiedung des Gesetzentwurfs „das modernste Einwanderungsrecht der Welt“ bekommen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Dagegen üben Union und AfD scharfe Kritik an den Erleichterungen für ausländische Arbeitskräfte.

Die Ampel-Fraktionen betonten den Nutzen der erleichterten Einwanderung für die Wirtschaft. Die Union kritisierte die aus ihrer Sicht zu geringen Anforderungen an arbeitswillige Ausländer aus Nicht-EU-Staaten. Um mehr Arbeitskräfte auch im Inland zu gewinnen, wurde am Freitag außerdem ein Gesetz der Ampel für Aus- und Weiterbildung beschlossen. Nach dem Beschluss der Reform müsse der nächste Schritt nun sein, „maßgeblich Bürokratie abzubauen“, um den Weg nach Deutschland für qualifizierte Arbeitskräfte weniger beschwerlich zu machen, mahnte Faeser.

Die Abgeordneten der Ampel-Fraktionen votierten in der namentlichen Schlussabstimmung nahezu geschlossen mit Ja. Lediglich die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg enthielt sich der Stimme. Die anwesenden Abgeordneten von Union und AfD stimmten laut Bundestagsverwaltung alle mit „Nein“. In der Summe stimmten 388 Abgeordnete mit Ja. 242 Parlamentarier lehnten den Entwurf ab. 31 Abgeordnete enthielten sich.

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Neues Einwanderungsrecht: Union kritisiert Reform als "Mogelpackung" – Grüne kontern

Neu an dem Gesetzentwurf ist unter anderem die sogenannte Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems. Zu den Kriterien, für die es Punkte gibt, gehören Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug. IT-Fachkräfte sollen künftig auch ohne Hochschulabschluss kommen dürfen, sofern sie bestimmte Qualifikationen nachweisen können. Leichter werden soll es auch für Asylbewerber, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind, die eine qualifizierte Tätigkeit ausüben oder in Aussicht haben.

Die Reform sei eine „Mogelpackung“, kritisierte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz. Anstatt Fachkräften den Weg zu ebnen, werde das von Erwerbsmigranten eingeforderte Niveau, was Ausbildung und Sprache angeht, gesenkt. Mit ihrem neuen Punktesystem schaffe die Ampel-Koalition ein „Bürokratiemonster“, sagte die CSU-Politikerin. Sie kritisierte außerdem Erleichterungen, von denen Ausreisepflichtige mit Qualifikation und Jobangebot profitieren sollen.

Lindholz sei ideologisch verbohrt, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. Die Möglichkeit eines „Spurwechsels“ für Ausreisepflichtige diene auch dazu, diese „aus der staatlichen Abhängigkeit herauszulösen“.

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Westbalkanregelung: Verdoppelung der Arbeitskräfte pro Jahr

Bei der Reform habe sich Deutschland an anderen erfolgreichen Einwanderungsländern wie Kanada, Neuseeland oder Australien orientiert, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel. „Mit neuen Köpfen kommen auch neue Ideen“, fügte er hinzu.

Sein Fraktionskollege Konstantin Kuhle verwies darauf, dass die Ampel durch eine Änderung der Beschäftigungsverordnung außerdem das Kontingent für die Westbalkanregelung von 25.000 auf 50.000 Arbeitskräfte pro Jahr verdoppeln werde. Die Regelung erlaubt auch eine Einreise von Arbeitskräften ohne besondere Qualifikation, wenn diese einen Arbeitsvertrag vorweisen können. Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich, sagte: „Insbesondere das Baugewerbe kann von diesen zusätzlichen Arbeitskräften profitieren.“

Geteilter Meinung über die Reform ist die Fraktion der Linken. Gökay Akbulut (Linke) sagte, es sei gut, dass Fachkräfte künftig auch ohne Wohnraumnachweis ihre Eltern und Schwiegereltern zu sich holen könnten. Dass dies erwerbstätigen Migranten ohne besondere Qualifikation, wie etwa Reinigungskräften, nicht gestattet werde, sei aber „eine Zwei-Klassen-Migrationspolitik“, die ihre Fraktion ablehne. Deutschland sei kein Einwanderungsland, sondern ein „Heimatland“, sagte Norbert Kleinwächter von der AfD. Es kämen nicht zu wenige Menschen nach Deutschland, sondern zu viele Menschen, die sich nicht integrieren wollten.

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Verbände und Politiker fordern weniger Bürokratie

Parteiübergreifend bemängeln viele Abgeordnete die zu hohen bürokratischen Hürden. Auch aus Sicht von Vanessa Ahuha, Vorständin der Bundesagentur für Arbeit, geht die Reform in die richtige Richtung. Sie mahnte aber: „Schnellere und unbürokratische Verfahren gelingen nur mit einem gemeinsamen digitalen Austausch zwischen den beteiligten Partnern, etwa Ausländerbehörden, Visastellen und der BA.“

Die Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Pflege, Isabell Halletz, sieht durch die Reform wenig Verbesserungen für zuwanderungswillige und dringend benötigte Pflegefachkräfte. Sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeitskräfte aus dem Ausland benötigten keine weiteren staatlichen Anwerbeprogramme, sondern standardisierte Prozesse und verbindliche Fristen. Sie betonte: „Es bringt nichts, wenn beschleunigte Verfahren auf dem Papier existieren, aber nicht in der Praxis umgesetzt werden können.“

Neben dem Beschluss über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz stimmte der Bundestag auch noch für das Aus- und Weiterbildungsgesetz der Ampel ab, mit dem mehr Nachwuchs- und Arbeitskräfte auch im Inland gewonnen werden sollen. Das Gesetz sieht unter anderem vor, durch die Übernahme von Unterkunfts- und Fahrtkosten junge Menschen zu ermutigen, auch weiter entfernte Praktikums- und Ausbildungsplätze anzunehmen. Außerdem ist ein sogenanntes Qualifizierungsgeld als Lohnersatz geplant. Damit soll es möglich werden, Beschäftigte in Branchen im Strukturwandel freizustellen, damit sie eine Weiterbildung für neue Aufgaben im Betrieb absolvieren und gleichzeitig ihre Stelle behalten können. (dpa)

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