Stockholm. Nie waren die weltweiten Militärausgaben so hoch wie 2022. Friedensforscher deuten das als Zeichen für eine zunehmend unsichere Welt.

Im Jahr des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind die weltweiten Militärausgaben auf einen neuen Rekordwert geklettert. Wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut "Sipri" am Montag in einem neuen Bericht mitteilte, stiegen die weltweiten Investitionen in die eigenen Armeen im Jahr 2022 um 3,7 Prozent auf 2,24 Billionen US-Dollar (rund 2,04 Billionen Euro).

Militärausgaben: Höchster Anstieg in Europa seit dem Kalten Krieg

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs und der "Zeitenwende" in der europäischen Ordnung sind nach Sipri-Angaben die Ausgaben für die eigenen Armeen auch in vielen europäischen Staaten gestiegen. Die Sorgen vor einem russischen Angriff hätten sich allerdings schon seit 2014 – dem Jahr der russischen Krim-Annexion – aufgebaut. Viele frühere Ostblockstaaten hätten ihre militärischen Ausgaben seitdem mehr als verdoppelt.

Europa verzeichnet den mit Abstand stärksten Ausgabenanstieg mit einer inflationsbereinigten Zunahme um 13 Prozent. In absoluten Zahlen lagen die Ausgaben 2022 demnach bei 480 Milliarden US-Dollar. Dabei hätten allein die mittel- und westeuropäischen Staaten 345 Milliarden US-Dollar für ihr Militär ausgegeben und damit erstmals seit 1989 wieder das Niveau des Kalten Krieges erreicht.

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Deutschland ist auf Platz sieben der Rangliste

Ganz klarer Spitzenreiter bei den Militärausgaben bleiben aber die USA. Nach einem Anstieg um 0,7 Prozent landeten sie bei Ausgaben in Höhe von 877 Milliarden Dollar (800 Mrd. Euro), darunter 19,9 Milliarden an Militärhilfe für die Ukraine. Damit kommen sie auf einen Anteil an den globalen Ausgaben von 39 Prozent und auf das Dreifache von China (geschätzte 292 Mrd. Dollar) auf Rang zwei. Russland steigerte seine militärischen Aufwendungen um 9,2 Prozent auf geschätzte 86,4 Milliarden Dollar, womit es vom fünften auf den dritten Platz sprang. Indien und Saudi-Arabien komplettieren die Top fünf, auf Platz sechs landet Großbritannien.

Deutschland belegt nach Zuwächsen um 2,3 Prozent mit 55,8 Milliarden Dollar den siebten Platz. Mit Blick auf das ausgewiesene Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro rechnet Sipri mit einem erheblichen Anstieg der deutschen Militärausgaben in den kommenden Jahren. Vom Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Verteidigung zu stecken, ist die Bundesrepublik demnach Stand jetzt mit 1,4 Prozent immer noch weit entfernt.

Ukraine: Höchster Anstieg an Militärausgaben in der Sipri-Geschichte

Und die Ukraine? Die verzeichnete einen Anstieg um satte 640 Prozent – dem höchsten, den Sipri jemals für ein Land in einem einzelnen Jahr registriert hat. Mit Militärausgaben von nun 44 Milliarden Dollar ohne Berücksichtigung finanzieller Unterstützung und Rüstungsspenden aus dem Ausland springt die Ukraine somit von Platz 36 schlagartig auf Rang 11. Angesichts dieses Kostenanstiegs und der immensen Kriegsfolgen für die ukrainische Wirtschaft entsprachen die Ausgaben geschätzten 34 Prozent des BIP des Landes – nach 3,2 Prozent 2021.

Militärausgaben: Auch im Fernen Osten wurde mehr in Armeen investiert

Auch in den Ländern Asiens und Ozeanien beobachten die Forscher einen Anstieg. Die militärischen Gesamtausgaben in Asien und Ozeanien stiegen inflationsbereinigt um 2,7 Prozent auf 575 Milliarden Dollar an. China (4,2 Prozent), Indien (6,0 Prozent) und Japan (5,9 Prozent) machen dabei fast drei Viertel der regionalen Ausgaben aus.

„Der kontinuierliche Anstieg der weltweiten Militärausgaben in den vergangenen Jahren ist ein Zeichen dafür, dass wir in einer zunehmend unsicheren Welt leben“, erklärte der Sipri-Forscher Nan Tian. Der jährlich erscheinende Sipri-Bericht gilt als weltweit umfassendste Datensammlung zu den Militärausgaben der Länder. Die Friedensforscher zählen auch Aufwände für Personal, Militärhilfen sowie militärische Forschung und Entwicklung zu den Ausgaben. (oli/dpa)