Berlin. Kaum eine Technologie hat so viel Protest hervorgerufen wie die Atomkraft – zumindest in Westdeutschland. In der DDR war man offener.

Es kommt nicht sehr oft vor, dass Winzer Geschichte schreiben. Doch den badischen Weinbauern gelang es 1969. Da sollte im südbadische Breisach ein Atomkraftwerk in die Landschaft gesetzt werden. Die Winzer fürchteten um ihre Erträge und setzten sich an die Spitze des Protestes dagegen. Schließlich entschieden sich die Betreiber des Vorhaben für einen anderen Standort in der Region: Whyl. 1975 begann der Bau des Meilers.

Einige hundert Demonstranten aus den örtlichen Bürgerinitiativen besetzten den Bauplatz, der von der Polizei prompt geräumt wurde. Eine Woche darauf waren es schon 28.000 Menschen, die durch die Fernsehbilder der Räumung aufmerksam geworden, in Whyl protestierten. Mit Erfolg. Das Kraftwerk wurde nie gebaut, auch weil die Gefahren der Atomkraft allmählich ins öffentliche Bewusstsein rückten.

Ostern 1975 wurde in Wyhl am Kaiserstuh gegen den später gescheiterten Bau des Kernkraftwerks Süd (KWS) demonstriert.
Ostern 1975 wurde in Wyhl am Kaiserstuh gegen den später gescheiterten Bau des Kernkraftwerks Süd (KWS) demonstriert. © imago/Eckhard Stengel | imago stock&people

Atomkraft: In den 70er Jahren wuchs der Widerstand

In den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war die Technikgläubigkeit groß. Die Befürworter der vermeintlich sauberen Energie wollten das Land am liebsten mit Atommeilern überziehen. Doch in den 70er Jahren wuchs, begünstigt durch den Erfolg der Anti-Atom-Bewegung in Whyl, der Widerstand. Die Gesellschaft war in dieser Frage gespalten. Der Protest wurde zu einer Massenbewegung und mündete in regelrechten Schlachten zwischen Demonstranten und Polizei.

Dafür stehen noch heute die Namen der Orte des Geschehens: Grohnde, Brokdorf, Kalkar, Wackersdorf und vor allem Gorleben. Im schleswig-holsteinischen Brokdorf kamen 1976 rund 30.000 Demonstranten zusammen, um den Bau eines AKW zu verhindern. Der Protest endete in einer regelrechten Schlacht zwischen Polizei und Teilnehmern. Es gab viele Verletzte auf beiden Seiten.

Skurriler Vorschlag: 30 Atomkraftwerke auf Helgoland bauen – und so Protest verhindern

Zehn Jahre später ging der Reaktor trotz zwischenzeitlichen Baustopps ans Netz. In Grohnde und eine Jahr später in Kalkar kam es ebenso zu Massenprotesten. Wie unversöhnlich Gegner und Befürworter waren, zeigt eine kleine Anekdote. So schlug ein Befürworter den Bau von 30 Kernkraftwerken auf Helgoland vor, weil Demonstranten da praktisch nicht hätten stören können.

Verhindern konnten die Gegner der Atomkraft den Bau der Reaktoren in der Regel nicht. Insgesamt 63 AKW gingen im Verlauf der Zeit ans Netz. Damit rückte auch eine andere Frage ins Zentrum der Proteste. Was sollte mit dem strahlenden Atommüll geschehen, der nun unvermeidbar wurde?

Eine Antwort darauf wollten die Befürworter im bayrischen Wackersdorf geben und dort eine Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte Brennelemente errichten. Dort kam es 1986 zu den härtesten Schlachten um die Atomkraft. Die Anlage wurde schließlich nie gebaut, auch weil die Atomkatastrophe in Tschernobyl im gleichen Jahr die Skepsis gegen die Kernenergie noch weiter wachsen ließ.

Im April beleuchteten Anti-Atomkraft-Demonstranten das bis zuletzt aktive Akw Emsland.
Im April beleuchteten Anti-Atomkraft-Demonstranten das bis zuletzt aktive Akw Emsland. © AFP | Ina Fassbender

In der DDR war die Akzeptanz für Kernenergie größer

Auch die DDR setzte auf Kernkraft. In Lubmin am Greifswalder Bodden entstand das zeitweilig größte AKW Europas mit sechs geplanten Reaktorblöcken. Ein weitere AKW wurde im brandenburgischen Rheinsberg errichtet. Auch in Stendal sollte Atomstrom produziert werden. Doch öffentlicher Protest blieb aus.

Die Akzeptanz der Kernenergie war weithin gegeben. Es habe eher gegen die Umweltverschmutzung Widerstand gegeben, erinnert sich der Mitbegründer und Umweltaktivist Olaf Freund heute. Nur vereinzelt muckten Gruppen auch gegen die Kernkraft auf.