Berlin. Seit die Ampel an der Macht ist, hat sich die Welt verändert. Der Gemeindebund hält daher Änderungen am Koalitionsvertrags für nötig.

Der Städte- und Gemeindebund hat die Ampel-Koalition zu einer Überarbeitung des Koalitionsvertrags aufgefordert. „Vor dem Hintergrund der Zeitenwende mit dem Krieg in der Ukraine, dem Klimawandel, der Klimaanpassung und den Migrationsbewegungen steht unser Land vor riesigen Herausforderungen“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dieser Redaktion. Daher sei es notwendig, „den Koalitionsvertrag, der vor der Zeitenwende vereinbart wurde, zu überarbeiten und die Ziele zu priorisieren“.

Zu den notwendigen Änderungen gehöre etwa, „bei der Kindergrundsicherung den Schwerpunkt auf Investitionen in gute Schulen, eine gute Kinderbetreuung und entsprechende Ganztagsangebote zu legen“, so Landsberg. Die Formel „mehr Geld gleich bessere Bildungschancen“ habe bereits in den vergangenen Jahrzehnten nicht funktioniert. Der Hauptgeschäftsführer betonte: „Nachdem der Staat Milliarden für die Gas- und Strompreisbremse investiert und die Staatsverschuldung mit über 2,3 Billionen Euro einen Höchststand erreicht hat, wird nicht alles, was wünschenswert ist, auch realisierbar sein.“

Gemeinde- und Städtebund: Korrekturen bei der Wärmewende nötig

Landsberg mahnte zugleich Korrekturen bei der geplanten Wärmewende an. „Am meisten würde für den Klimaschutz erreicht, wenn zunächst die ältesten Heizungen und die Heizungen in den größten Gebäuden ausgetauscht würden und dafür die entsprechenden Mittel bereitstünden“, sagte er. Mit ihren 180.000 Gebäuden – Schulen, Kindergärten, Verwaltungsgebäude, Krankenhäuser – würden den Kommunen eine Schlüsselrolle zukommen. „Das kann allerdings nur funktionieren, wenn insbesondere finanzschwachen Kommunen entsprechende Investitionen ermöglicht werden.“

Gerd Landsberg ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.
Gerd Landsberg ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. © Britta Pedersen/dpa

Der kommunale Spitzenvertreter warnte zudem davor, die Menschen bei der Wärmewende ständig durch neue Verbote oder Gebote verunsichern. Zum notwendigen Realitätssinn gehöre auch eine genaue Prüfung, „welche Kapazitäten das Sanitärgewerbe überhaupt hat und in welcher Zeit was, wo und wie umgesetzt werden könnte“. Landsberg betonte: „Gerade beim Thema Klimaschutz sollten wir uns bewusst sein, dass Deutschland allein bedauerlicherweise das Klima nicht retten wird, auch wenn es unsere Pflicht ist, mit gutem Beispiel voranzugehen.“

Landsberg fordert "Digitalisierungsschub" – was sich in Deutschland jetzt ändern muss

Darüber hinaus spricht sich der Chef vom Städte- und Gemeindebund für einen Digitalisierungsvorbehalt für alle neuen Gesetze aus. "Jedes neue Gesetz und jede neue Verordnung müssen von vornherein so aufgestellt werden, dass die Verwaltungsabläufe digital dargestellt werden können." Landsberg weiter: "Falls das nicht möglich ist, darf die Norm nicht in Kraft treten." Alle seien in ihren Sonntagsreden für Bürokratieabbau. Gleichzeitig würden immer wieder neue Regeln erlassen, mit der guten Absicht, möglichst in jedem Einzelfall gerecht zu werden.

Das wiederum habe zu Folge, dass die Vollzugsgebenden – etwa in den Kommunen – zunehmend überfordert seien. Landsberg warnt: In den nächsten zehn Jahren würden rund 580.000 kommunale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ruhestand gehen. Die Städte und Gemeinden könnten „ganz sicher nicht mit immer weniger Personal immer mehr Verwaltungsvorgänge erledigen." Landsberg spricht deshalb von einem nötigen "Digitalisierungsschub". Über das Thema Digitalisierung dürfe nicht nur geredet werden, appelliert der Chef vom Städte- und Gemeindebund.

Über das Thema Digitalisierung darf nicht nur diskutiert werden, fordert Landsberg. Es müssten auch konkrete Taten folgen.
Über das Thema Digitalisierung darf nicht nur diskutiert werden, fordert Landsberg. Es müssten auch konkrete Taten folgen. © dpa | Christophe Gateau

Landsberg: Deutschland soll bei der Flüchtlingsaufnahme nicht mehr Hauptlast tragen

Landsberg dringt zudem auf eine Verringerung des Flüchtlingszustroms nach Deutschland. „Wenn Deutschland weiterhin die Hauptlast tragen muss, wird die Akzeptanz dieser wichtigen Herausforderung abnehmen“, sagte er unserer Redaktion. „Das ist weder im Sinne unserer Werte noch im Sinne einer funktionsfähigen EU.“

Landsberg forderte „einen Kraftakt, in dem Deutschland als größte Wirtschaft in der EU seinen Einfluss ausübt, um die Außengrenzen besser zu schützen, die Asylverfahren deutlich zu beschleunigen, die Herkunftsländer von Ausreisepflichtigen dazu zu bringen, ihre Staatsbürger zurückzunehmen und eine gerechte Verteilung innerhalb der EU sicherzustellen“.

Die Städte und Gemeinden seien bei der Unterbringung der Geflüchteten längst an ihrer Belastungsgrenze. „Andererseits müssen wir davon ausgehen, dass auch vor dem Hintergrund des Klimawandels und möglicher zukünftiger Konflikte Migrationsbewegungen ein Dauerthema bleiben werden“, mahnte Landsberg. „Mit den Standards von heute und der großen Uneinigkeit auf der EU-Ebene sind die Probleme nicht lösbar.“