Jerusalem/Berlin. Israels Verteidigungsminister Gallant will den Terrorismus “auslöschen“. Bei Terrorismusexperten sorgt seine Aussage für Kopfschütteln.

Mit einem gewagten Versprechen ließ Israels Verteidigungsminister Joav Gallant am Freitag aufhorchen: "Ich werde den Terrorismus auslöschen", verkündete er. Das ist Balsam auf die Seelen all jener Israelis, die in diesen Tagen massiver Anspannung um ihre Sicherheit fürchten. In den vergangenen Wochen häuften sich individuelle Attacken auf israelische Siedler und Soldaten im Westjordanland. Seit Jahresbeginn kamen elf Menschen bei Anschlägen palästinensischer Terroristen ums Leben, darunter zwei Kinder.

Bei Terrorismusexperten sorgt die Aussage des Verteidigungsministers aber für Kopfschütteln: Mit noch so drakonischen Strafen lässt sich nicht ausschließen, dass sich einzelne Attentäter aufmachen, um mit ihrem Auto in einen Armeestützpunkt zu rasen oder ihr Messer in den Körper von unschuldigen Zivilisten zu rammen. Das weiß auch Gallant. Er weiß aber ebenso gut, was die Menschen hören wollen.

Auch Israels rechtsextremer Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir von der Partei Jüdsche Kraft, sieht die Zeit reif für eines seiner umstrittensten Wahlversprechen: Die Einführung der Todesstrafe für Terroristen. Auch interessant: Zivilisten in Israel sollen sich leichter bewaffnen können

Israel: Einführung der Todesstrafe für Terroristen

Bereits diesen Sonntag soll der Gesetzesentwurf im Ministerrat vorgelegt und beschlossen werden, danach kommt er ins Parlament. Der Entwurf von Ben Gvirs Partei hat es in sich: Er sieht vor, dass nicht nur Terroristen, die wahllos in die Menge schießen, von Gerichten zur staatlichen Tötung verurteilt werden sollen. Er sieht die Kapitalstrafe auch für Menschen vor, die "aus Gleichgültigkeit heraus den Tod eines israelischen Bürgers bewirken", wie es in dem Entwurf heißt.

Die Todesstrafe ist in Israel zwar nicht verboten, das Gesetz erlaubt sie aber nur für ganz bestimmte Fälle – vor allem Hochverrat und Beteiligung am Holocaust. In der Geschichte des Staates Israel wurde sie nur zwei Mal vollstreckt – das bekannteste Beispiel ist Adolf Eichmann, der im Jahr 1961 von einem Tribunal in Jerusalem wegen seiner führenden Rolle im Mord an sechs Millionen Juden zum Tod verurteilt wurde. Die zweite Vollstreckung kostete den Israeli Meir Tobianski das Leben. Er war 1948 des Hochverrats verurteilt worden - ein Fehlurteil, wie sich erst nach seinem Tod herausstellen sollte.

ARCHIV - NS-Kriegsverbrecher Adolf Eichmann (2.v.l) steht während seiner Vernehmung am ersten Prozesstag vor dem Bezirksgericht in Jerusalem (Archivfoto vom 11.04.1961). Foto: dpa (zu dpa
ARCHIV - NS-Kriegsverbrecher Adolf Eichmann (2.v.l) steht während seiner Vernehmung am ersten Prozesstag vor dem Bezirksgericht in Jerusalem (Archivfoto vom 11.04.1961). Foto: dpa (zu dpa "Israel veröffentlicht Gnadengesuch von NS-Verbrecher Adolf Eichmann" vom 27.01.2016) +++(c) dpa - Bildfunk+++ © dpa | dpa

Selbst in solch extremen Fällen macht das Gesetz es den Richtern nicht gerade leicht, die Todesstrafe zu verhängen. Immer muss auch der Oberste Gerichtshof die Umstände beurteilen. Zudem hat der Staatspräsident das letzte Wort, indem er Begnadigungen aussprechen kann. Mehr zum Thema: Neueste Terrorwelle in Israel: Stoppt den Teufelskreis!

Militärtribunal soll für Verurteilung reichen

Ben Gvirs Partei will all diese Schranken abschaffen. Ihr Gesetzesvorschlag sieht sogar vor, dass mutmaßliche Terroristen, wenn sie ihre Tat im Westjordanland begangen haben, nicht einmal vor ein reguläres Gericht gestellt werden müssen. Es reicht ein Militärtribunal, um sie zum Tod zu verurteilen.

Ben Gvir tut erst gar nicht so, als wollte er die schwerste aller Strafen dazu einsetzen, um potenzielle Terroristen von ihren Taten abzuhalten. Es gibt in der Kriminalforschung auch keinen Beleg dafür, dass die Todesstrafe abschreckend wirkt. Dem rechtsextremen Politiker, der selbst wegen Terrorunterstützung verurteilt wurde, geht es um eine Gewaltdemonstration.

Dass die Angehörigen der israelischen Terrorismusopfer nicht weniger unter ihrem Verlust leiden, wenn auch eine palästinensische Familie eines ihrer Mitglieder verliert, kümmert ihn nicht. Schon als er Teenager war, zog Ben Gvir durch die Straßen, um "Tod den Arabern" zu rufen. Seit er Politiker ist, ruft er "Tod den Terroristen", weil das gemäßigter klingt. Seit er von Benjamin Netanjahu zum Minister für Nationale Sicherheit gekürt wurde, tut er alles, um seine rassistischen Formeln in Tat umzusetzen.

Todesstrafe nicht für Israelis

Noch ist nicht gesagt, dass die Todesstrafe für Terroristen in Israel tatsächlich Gesetz wird. Erst muss der Entwurf durch den Ministerrat, dann wird er im parlamentarischen Prozess noch abgeschwächt werden. Es ist nicht einmal gesichert, dass er dort eine Mehrheit erhält. Das wichtigste Ziel hat Ben Gvir aber schon erreicht, wenn die Vorlage auch nur diskutiert wird: Es wird als normal betrachtet, einen Teil der Gesellschaft für dieselbe Tat mit dem Tod zu bestrafen, für die andere nur einige Jahre im Gefängnis sitzen.

Der Entwurf stellt nämlich klar, dass die Todesstrafe nur für jene Terroristen gilt, die Israelis angreifen. Radikale Sieder, die – wie zuletzt am Freitag nahe Nablus – auf Palästinenser schießen, haben diese Strafe nicht zu befürchten. Das beunruhigt auch eine UN-Expertengruppe, die am Freitag eine Stellungnahme zum Thema veröffentlicht hat: "Der Gesetzesvorschlag vertieft den Unterschied zwischen zwei Klassen von Strafjustiz im Staat", kritisieren sie. Lesen Sie dazu: Nahostkonflikt und die Ursache: eine Geschichte der Gewalt

Tausende israelische Demonstranten demonstrieren am 25. Februar 2023 in der Küstenstadt Tel Aviv gegen die Gesetzentwürfe der israelischen Regierung zur Justizrevision.
Tausende israelische Demonstranten demonstrieren am 25. Februar 2023 in der Küstenstadt Tel Aviv gegen die Gesetzentwürfe der israelischen Regierung zur Justizrevision. © IMAGO / NurPhoto

Offiziere fürchten "die Auslöschung der Demokratie"

Während der Verteidigungsminister den eisernen Kampf gegen den Terrorismus ankündigt, drohen indes immer mehr Reservisten damit, ihm im Fall des Falles den Dienst zu verweigern. In einem offenen Brief erklären mehr als hundert hochrangige Reserveoffiziere von Eliteeinheiten damit, nicht mehr zum Einsatz zu erscheinen, falls die Regierung mit der geplanten Justizreform voranschreiten sollte. Die Offiziere sehen darin "die Auslöschung der Demokratie".

Bereits in den Wochen zuvor Wochen hatten Tausende von Reservisten auf Israels Straßen gegen die Justizreform protestiert. Kampfpiloten, U-Boot-Kapitäne und andere Spezialeinheiten erklärten in offenen Briefen, dass sie auch weiterhin Israels Demokratie verteidigen würden – allerdings nur, wenn die Regierung sie nicht zuvor zerstöre.