Berlin. Der Kanzler hat die Pannen seiner Verteidigungsministerin zu lange toleriert. Auch bei der Lieferung von Kampfpanzern gerät er unter Druck.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist in einer wenig beneidenswerten Lage. Er hat sein Amt mit dem Motto „Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch“ angetreten. In zwei zentralen Punkten hat der Kanzler diesen Anspruch nicht eingelöst. Bei der Leitung des Verteidigungsministeriums und der Positionierung Deutschlands in der Panzerfrage befindet sich Scholz in der Defensive.

Die Besetzung des Ressorts durch Christine Lambrecht (SPD) erwies sich als glatte Fehlentscheidung, die nun auf den Regierungschef zurückfällt. Als die Sozialdemokraten im Dezember 2021 ihre Arbeit begann, gab ihr der Kanzler pompöse Vorschusslorbeeren mit auf den Weg: Sie werde eine „eine ganz, ganz besondere Verteidigungsministerin der Bundesrepublik Deutschland sein“, orakelte er.

Im Rückblick muss man sagen: Lambrecht ist nie in ihrem Amt angekommen

Ein eklatanter Irrtum. Lambrecht verfügte über kein Fachwissen, interessierte sich nie wirklich für die zugegebenermaßen komplizierte Materie im Ressort. Man muss im Rückblick sagen: Sie ist nie in ihrem Amt angekommen. Es ist zwar richtig, dass die Verteidigungsminister der Union in 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel eine schwere Hypothek hinterlassen haben – die Bundeswehr wurde kaputtgespart, die Bürokratie nahm überhand, die Beschaffung von Waffen erwies sich als Irrlauf im Bermuda-Dreieck. Aber es nützt nichts, jetzt nur mit dem Finger auf die Amtsvorgänger zu zeigen.

Lambrecht hatte mit Blick auf den Ukraine-Krieg keinen stringenten Kurs. Mal begründete sie die Zurückhaltung bei der Lieferung deutscher Waffen mit der notwendigen Geheimhaltung. Mal machte sie geltend, dass die klamme Bundeswehr kein Militärgerät abgeben könne.

Scholz hat Lambrechts Reputationsverlust sehenden Auges in Kauf genommen

Die Pleiten und Pannen, die ihren Pfad im Bendlerblock säumten, sind nur Symptome für mangelnde Eignung im Militärbereich. Die angekündigte Verschickung von lediglich 5000 Schutzhelmen für die Ukraine kurz vor Beginn der russischen Invasion gehört ebenso dazu wie der Hubschrauberflug mit ihrem Sohn zum Truppenbesuch mit anschließendem Sylt-Urlaub oder das hochnotpeinliche Video zu Silvester.

Der Kanzler hat zu lange zugeschaut. Er hat die Dinge schleifen lassen und Lambrechts Reputationsverlust sehenden Auges in Kauf genommen. Falsch verstandene Loyalität der Ministerin und Sturheit – Scholz reagiert allergisch auf Druck von außen – mögen dahintergestanden haben. Der Kanzler muss nun dringend den besten Mann oder die beste Frau für die Nachfolge in dem wichtigen Amt benennen. Es geht um Qualifikation, vor allem anderen.

Auch bei der Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine ist Scholz in Zugzwang geraten

Parallel zur Causa Lambrecht ist Scholz auch bei der Frage der Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine in Zugzwang geraten. Seine Maxime, bei diesem heiklen Thema keine Alleingänge zu unternehmen, war und ist zwar richtig. Entscheidungen über Krieg und Frieden erfordern Besonnenheit – und internationale Abstimmung.

Doch Moskau hat seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine brutal ausgeweitet. Russische Truppen bombardieren mit zunehmender Zerstörungskraft Kraftwerke, Stromleitungen und Wohnhäuser. Spekuliert wird, dass Präsident Wladimir Putin bald 500.000 zusätzliche Reservisten für eine Frühjahrsoffensive mobilisiert.

Der Kanzler kann es sich nicht leisten, die Genehmigung für den Export zu verweigern

Wenn die Ukraine – wie zwischen Washington, Brüssel und Berlin häufig behauptet – die Werte des Westens verteidigt, braucht sie Kampfpanzer. Die Briten liefern bald ihre Geräte vom Typ Challenger 2. Die Amerikaner denken darüber nach, ihre Abrams-Panzer zu verschicken. Polen und Finnland drängen darauf, deutsche Leopard-2-Kampfpanzer nach Kiew zu entsenden. Angesichts der Dynamik des Krieges kann es sich der Kanzler nicht leisten, die Genehmigung hierfür zu verweigern.