Scharm el-Scheich. Eigentlich sind Weltklimakonferenzen ein denkbar ungeeignetes Mittel im Kampf gegen die Krise. Warum wir die Events dennoch brauchen.

Es gehört zu den Eigenarten von Klimakonferenzen, dass harte, oft jahrelange Kämpfe nötig sind, um festzuhalten, was eigentlich selbstverständlich ist. Im vergangenen Jahr in Glasgow wurde als großer Erfolg gefeiert, dass zum ersten Mal überhaupt Kohle als schädlichster fossiler Energieträger im Text der Abschlusserklärung auftauchte. Und da konnte man sich noch nicht einmal auf eine harte Formulierung zum Ausstieg einigen.

In diesem Jahr muss als Triumph gelten, dass nun endlich klar sein soll, dass die ärmsten und verwundbarsten Länder der Welt Geld bekommen, wenn sie verwüstet werden von den Folgen des Klimawandels, zu dem die allermeisten von ihnen kaum beigetragen haben. Wer den Schaden verursacht, muss dafür aufkommen – bis dieses grundlegende Prinzip von Gerechtigkeit hier verankert werden konnte, hat es 30 Jahre gedauert. Und wann tatsächlich Geld irgendwo ankommt, ist offen. Denn wer zahlen soll und wer auf Hilfe hoffen darf, soll bis zum Treffen im nächsten Jahr geklärt werden. Nach der COP ist vor der COP, worauf man sich in diesem Jahr nicht einigen kann, schiebt man eben ins nächste. Dass das Thema dann weniger umstritten sein wird, ist nicht zu erwarten.

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COP27: Warum Weltklimakonferenzen ungereinigt sind – und wir sie dennoch brauchen

Theresa Martus ist Politik-Redakteurin in der Funke-Zentralredaktion.
Theresa Martus ist Politik-Redakteurin in der Funke-Zentralredaktion. © Reto Klar

Und währenddessen rennt die Zeit und die globalen Emissionen steigen immer noch weiter. Dass man sich in Scharm el-Scheich nicht einigen konnte, einen echten Schritt nach vorn zu gehen bei den Emissionsminderungen, dass nicht einmal das völlig offensichtliche Eingeständnis drin war, dass fossile Energieträger der Kern des Problems sind, spricht ein hartes Urteil über die Konferenzen als Ganzes. Eine Runde mit gut 200 Staaten, die alle eigenen, häufig gegenläufigen Interessen verfolgen, kann offenbar nicht in der Lage sein, so schnell zu handeln, wie es die Situation erfordert. Auch dann nicht, wenn sie alle das Interesse einen sollte, dass dieser Planet bewohnbar bleibt für Menschen.

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Die Weltklimakonferenzen sind ein denkbar ungeeignetes Mittel im Kampf gegen die Krise. Und sie sind gleichzeitig eines, auf das auf der internationalen Ebene nicht verzichtet werden kann. Sie verschaffen der Klimakrise nicht nur zwei Wochen im Jahr zuverlässig Aufmerksamkeit, sie setzen auch immer wieder Standards, an denen sich die Regierungschefinnen und -chefs, die Verantwortlichen in den Ländern messen lassen müssen. Wenn es wie in Paris gelingt, doch einmal einstimmig zu einem ehrgeizigen Ergebnis zu kommen, ist es gerade das so schwerfällige Einstimmigkeitsprinzip, dass den Entscheidungen Gewicht.

Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels: Das entscheidet sich nicht auf Weltklimakonferenzen

Und dieses Gewicht ist ein wichtiges Instrument diejenigen, die die restlichen 50 Wochen im Jahr darum kämpfen, dass die Emissionen endlich sinken. Denn verlassen sollte man sich allein auf die Konferenzen auf keinen Fall. Ob die Welt es schafft, rechtzeitig vor 1,5 Grad oder wenigstens deutlich unter 2 Grad Erwärmung zum Halten zu kommen, entscheidet sich nicht im Wanderzirkus der Konferenzen. Es entscheidet sich in den Ländern, in den Regionen, in den Städten. Und auf jeder Ebene muss man davon ausgehen, dass nur unter erheblichem Druck aus der Bevölkerung gehandelt wird. Um diesen Druck aufbauen zu können, sind die Messlatten nützlich, die auf den Konferenzen aufgestellt werden.

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Dafür sorgen, dass Regierungen und Wirtschaft schnell genug umschwenken, dass die Emissionen schnell genug sinken, müssen am Ende alle. Denn wenn das nicht gelingt, wird kein Fonds der Welt die Schäden und Verluste ausgleichen können.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.