Athen. Der Einfluss von China auf die Infrastruktur: Die Debatte bleibt auch bei dem Besuch des Bundeskanzlers Olaf Scholz in Athen aktuell.

Die Morgenluft in Athen ist weich und warm, als Olaf Scholz die Akropolis besichtigt. Es ist ein Moment der Ruhe in diesen Tagen voller Krisen für den Bundeskanzler. Die weltberühmte Sehenswürdigkeit ist wegen des Besuchers aus Deutschland für Touristen gesperrt, ein paar streunende Katzen interessieren sich nicht sonderlich für Scholz. Der Kanzler schlendert mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis umher, gemeinsam blicken sie weit über die Stadt bis ans Meer. Der gemeinsame Besuch der Akropolis ist eine rare Auszeit für Scholz.

Mitsotakis persönlich gibt ihm eine Führung. Während sie einmal rund um das Parthenon spazieren, plaudern die beiden Regierungschefs entspannt auf Englisch. Der ohne Jackett gekommene Mitsotakis preist das milde Wetter und freut sich, dass sich Scholz während seines Aufenthalts in der griechischen Hauptstadt die Zeit für die Akropolis-Besichtigung genommen hat. Trotzdem ermuntert er den Gast: „Nächstes Mal sollten Sie noch mehr Zeit hier verbringen.“

Ein Neuanfang nach der Euro-Schuldenkrise

Der Kanzler hat unruhige Tage hinter sich. In Europa sieht sich der Sozialdemokrat dem Vorwurf ausgesetzt, im Kampf gegen die hohen Energiepreise Alleingänge zu unternehmen. Zu Hause streitet Scholz mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer darum, welchen Anteil der Entlastungspakete sie selbst bezahlen. In seiner Ampel-Koalition gibt es Dauerkrach – um Waffenlieferungen an die Ukraine, um die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke und zuletzt um die umstrittene Beteiligung des chinesischen Staatskonzerns Cosco am Hamburger Hafen. Die Debatte um Chinas Einfluss auf europäische Infrastruktur begleitet den Kanzler bis Athen.

Von sich aus stellen Scholz und Mitsotakis jedoch andere Themen in den Mittelpunkt. Nicht nur für den Kanzler ist der Besuch ein Neuanfang in den Beziehungen Deutschlands zu dem Mittelmeerstaat. Seine Vorgängerin Angela Merkel war extrem unbeliebt in Griechenland – eine Folge des rigiden Sparkurses, den das Land in der Euro-Schuldenkrise befolgen musste. Die Atmosphäre sei jetzt „viel besser und positiver“ als noch zu Merkels letztem Besuch, lobt Mitsotakis. Griechenland stehe nicht mehr unter europäischer Finanzkontrolle, sein Land sei wieder ein Partner auf Augenhöhe.

Bundeskanzler Scholz plaudert auf der Akropolis mit Kyriakos Mitsotakis: Die Stimmung zwischen den beiden Regierungen hat sich verbessert.
Bundeskanzler Scholz plaudert auf der Akropolis mit Kyriakos Mitsotakis: Die Stimmung zwischen den beiden Regierungen hat sich verbessert. © LOUISA GOULIAMAKI / AFP

Griechenland und Deutschland nähern sich wieder an

Auch auf anderen Feldern verbreiten Scholz und Mitsotakis Harmonie. Deutschland hat mit Griechenland erfolgreich einen Panzer-Ringtausch gestartet: Die Regierung in Athen bekommt 40 deutsche Schützenpanzer Marder und gibt dafür Panzer sowjetischer Bauart an die Ukraine weiter.

Scholz macht deutlich, dass er sich nicht in die griechischen Pläne einmischen will, die ersten sechs gelieferten Marder inmitten des Territorialkonflikts mit der Türkei an dem Grenzfluss Evros zu stationieren: „Wir haben die Marder an Griechenland geliefert und da gibt es keine tägliche Meldung, wo die stehen. Wir fragen auch nicht nach.“ Das hört Mitsotakis gerne. Überhaupt sieht er den deutschen Kanzler in dem Streit mit dem Nato-Land Türkei an seiner Seite. Scholz widerspricht nicht.

Nur die Forderung Griechenlands nach deutschen Reparationen für die im Zweiten Weltkrieg von den Nazi-Invasoren verursachten Schäden steht zwischen Scholz und Mitsotakis. Während der griechische Regierungschef erneut Verhandlungen über Entschädigungszahlen verlangt, verweist Scholz auf die Position der Bundesregierung, dass diese Frage juristisch und politisch abgeschlossen sei.

Der Einfluss von China auf die Infrastruktur

Eine weitere heikle Frage beschäftigt beide Regierungschefs erst auf Nachfrage von Journalisten: Wieviel Einfluss darf China auf kritische Infrastruktur bekommen? Gegen den Widerstand anderer Ministerien hat der Kanzler in dieser Woche durchgedrückt, dass die Staatsreederei Cosco Anteile an einem Terminal des Hamburger Hafens erwerben darf. Allerdings nur knapp 25 Prozent anstatt der geplanten 35 Prozent. So soll dem Staatskonzern ein strategischer Einfluss verwehrt bleiben.

Er halte die Entscheidung die „richtige Lösung“, bekräftigt Scholz in Athen, es gehe schließlich nur um einen sehr kleinen Teil des gesamten Hafens. Es sei ein berechtigtes Anliegen zu sagen, dass es keinen falschen Einfluss auf Infrastrukturen geben dürfe, sagt der Kanzler, der Anfang November nach China reisen will. „Und das ist in diesem Fall in keiner Weise gegeben.“

Chinesische Konzerne kaufen auch in Griechenland Hafenanteile

Als Lehre aus der starken Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energielieferungen sind nicht nur in der Ampel-Koalition die Bedenken groß, kritische Infrastruktur an das expansionshungrige China zu verkaufen. Mitsotakis hat seine eigenen Erfahrungen mit China: Der Hafen von Piräus ist inzwischen zu zwei Dritteln in der Hand von Cosco. Der chinesische Konzern wurde 2016 Mehrheitseigner von dem wichtigsten Hafen des Landes. Also zu einem Zeitpunkt, als die griechische Regierung wegen ihres Schuldenbergs dringend Staatsbesitz verkaufen musste.

Die damalige Notlage hebt auch Mitsotakis noch einmal hervor. „Wenn Sie mich fragen, ob ich unruhig bin, weil diese Investitionen hier stattgefunden haben“, sagt der Grieche in der Pressekonferenz mit Scholz. „Die Antwort ist Nein, nicht besonders.“ Allerdings, räumt Mitsotakis ein, das Verhältnis zu China sei schwierig. Einerseits arbeite Europa in einigen Bereichen wie dem Klimaschutz mit dem Land zusammen, andererseits trete China als Gegner auf, fügt Mitsotakis hinzu. „Niemand ist naiv, was die Beziehungen zwischen Europa und China angeht.“

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Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.