Ron. Lange hat Italien darauf gewartet, dass die Führungsspitze weiblich wird. Doch die Römerin vertritt eher die Werte des Patriarchats.

Feministinnen haben die erste Regierungschefin Italiens, die erste Frau an der Spitze eines Landes, lange erwartet. Doch zur ersten italienischen Ministerpräsidentin wird nach den Wahlen am Sonntag sehr wahrscheinlich die Postfaschistin Giorgia Meloni. Die Vorsitzende einer rechtsradikalen Partei mit dem ausgesprochen patriarchalischen Namen „Brüder Italiens“ und der Flamme der Neofaschisten im Logo, dürfte die Regierungsgeschäfte bald führen.

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Mit ihrem Wahlerfolg in Italien setzt Meloni den europäischen Trend zu Frauen in politischen Spitzenpositionen fort. Allerdings ist die 45-jährige Römerin keine feministische Ikone. Ganz im Gegenteil, seit ihrer frühen Jugend in einer neofaschistischen Gruppierung vertritt sie rechtskonservative Werte.

Italien: Mussolinis Slogan ist Melonis Motto

Der von Mussolini genutzte Slogan „Gott, Vaterland und Familie“ ist seit jeher ein Motto Melonis. Und wenn es um Familie geht, ist die natürlich die klassische Familie gemeint. Denn ein Kind muss laut Meloni eine Mutter und einen Vater haben. Von Regenbogenfamilien will die Rechtspopulistin nichts wissen. Dabei ist sie selber die unverheiratete Mutter einer sechsjährigen Tochter. Ihr Partner ist der um vier Jahre jüngere TV-Journalist Andrea Giambruno.

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Giorgia Meloni thematisiert ihr Frausein und ihr Leben als Mutter häufig. Nach dem Wahlsieg postete sie auf Instagram das Foto eines Zettels, auf dem in Kinderschrift in Großbuchstaben und mit silbernem Stift geschrieben, steht: „Liebe Mami! Ich bin so glücklich, dass du gewonnen hast.“ Damit gibt sie Einblicke in ihr Privatleben.

Meloni wuchs in einem Frauenclan auf

Aufgewachsen ist sie in einem Frauenclan aus Mutter, Großmutter und der älteren Schwester Arianna. Der Vater hatte die Familie verlassen, um die Welt zu umsegeln und sich dann auf den Kanaren niederzulassen. Er zeigte für die beiden Töchter sein Leben lang nur wenig Interesse.

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Als vielbeschäftigte Profi-Politikerin kennt Meloni die Schwierigkeiten, Beruf und Familie zu verbinden. Allerdings ist sie gegen die Frauenquoten, die vor zehn Jahren in den Aufsichtsräten der Unternehmen und in den Wahllisten eingeführt wurden, und möchte sie abschaffen. Im Europäischen Parlament hat ihre Partei gegen den Vorschlag zur Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles, also des Gender-Pay-Gaps, gestimmt.

Melonis Haltung zur Abtreibung ist eindeutig

Am meisten sorgt Melonis Haltung zu dem seit 1978 geltenden Gesetz zur Regelung der Abtreibung für Debatten. Sie wolle die Abtreibungen zwar nicht verbieten, wohl aber jene Maßnahmen fördern, die Frauen von dieser Entscheidung abbringen können - etwa die Einrichtung eines Fonds für ungewollt Schwangere und die Unterstützung von Abtreibungsgegnern und deren Beratungsstellen. Italien zählt weltweit zu den Ländern mit der niedrigsten Abtreibungsrate.

Allerdings ist der Zugang zur legalen Schwangerschaftsunterbrechung in vielen Regionen problematisch. Viele Gynäkologen verweigern die Schwangerschaftsunterbrechungen aus Gewissensgründen.

In Linkskreisen befürchtet man nun, dass der Zugang zur Abtreibung unter einer Rechtsregierung noch schwieriger werden könnte. Auch Schwulenverbände machen sich Sorgen. Sie sehen in Italien unter Melonis Führung ihre Hoffnungen auf die Einführung der Homo-Ehe und des Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Paare schwinden. Derzeit sind in Italien lediglich eingetragene Lebenspartnerschaften zugelassen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.