Eriwan/Baku. Aserbaidschan und Armenien sind seit Jahrzehnten verfeindet, meist ging es um das Gebiet Berg-Karabach. Nun gab es erneute Kämpfe.

Im Schatten des Ukraine-Krieges sind zwischen Aserbaidschan und Armenien im Kaukasus wieder schwere Kämpfe ausgebrochen. Wie es am Dienstagmorgen von offizieller Seite hieß, wurden bei dem Angriff in der Nacht mindestens 49 armenische Soldaten getötet. Noch immer gebe es vereinzelte Angriffe durch Aserbaidschan, sagte der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan am Dienstag in der Hauptstadt Eriwan.

Aserbaidschanische Truppen hätten an drei Stellen armenische Stellungen mit Artillerie und großkalibrigen Waffen angegriffen, hieß es aus Eriwan. In Baku sprach das Verteidigungsministerium Aserbaidschans wiederum davon, dass ein großangelegter armenischer Sabotageversuch die Kämpfe ausgelöst habe.

Die Ex-Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan bekriegen einander seit Jahrzehnten wegen des Gebiets Berg-Karabach. Nach armenischen Angaben griff Aserbaidschan am Montag allerdings nicht die Exklave an, sondern Stellungen auf dem Kerngebiet Armeniens.

Armeniens Ministerpräsident telefoniert mit Wladimir Putin

Ministerpräsident Paschinjan hatte bereits in der Nacht zum Dienstag mit dem Präsidenten der Schutzmacht Russland, Wladimir Putin, telefoniert. Paschinjan sprach von einem aserbaidschanischen Angriff, auf den es eine internationale Reaktion geben müsse. Er und Putin vereinbarten demnach, in Kontakt zu bleiben.

Der armenische Regierungschef alarmierte außerdem Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron, wie Medien in Eriwan berichteten. Zudem habe Paschinjan mit EU-Ratspräsident Charles Michel gesprochen. Nach Angaben aus Eriwan hat Armenien offiziell die von Russland geführte Militärallianz "Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit" (OVKS) um Hilfe angerufen.

Die Türkei wiederum warf Armenien "Provokationen" vor – sie gilt als Verbündete Aserbaidschans. Eriwan solle sich auf Friedensverhandlungen mit Baku konzentrieren, schrieb der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu auf Twitter.

Nikol Paschinjan (M), Ministerpräsident von Armenien, spricht mit einem Offizier der armenischen Armee.
Nikol Paschinjan (M), Ministerpräsident von Armenien, spricht mit einem Offizier der armenischen Armee. © Tigran Mehrabyan/PAN Photo/AP/dpa

Aserbaidschan und Armenien bekriegen sich seit Jahrzehnten

Die früheren Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan stehen seit Jahrzehnten wegen des Gebiets Berg-Karabach in einem Konflikt. Berg-Karabach gehört zu Aserbaidschan, wird aber von Armeniern bewohnt. Nach dem Zerfall der Sowjetunion sicherten sich armenische Kräfte in einem Krieg von 1992 bis 1994 die Kontrolle über das Gebiet und besetzten weite Teile Aserbaidschans.

2020 gewann Aserbaidschan seine Gebiete zurück und eroberte strategisch wichtige Stellen in Berg-Karabach. Den nach vier Monaten vereinbarten Waffenstillstand überwacht Russland, die Schutzmacht der christlichen Armenier. Auch die Europäische Union unternahm seitdem viele Anstrengungen, den Konflikt zu lösen. Bei den Kämpfen am Montag wurde nach armenischen Angaben allerdings nicht die Exklave angegriffen. Die Attacken trafen Stellungen bei den Städten Goris, Sotk und Dschermuk. Diese liegen auf dem Gebiet Armeniens.

Das Auswärtige Amt mahnte Deutsche in der Region zur Vorsicht, eine Ausweitung der Kämpfe sei nicht ausgeschlossen. Wer in einem von Kampfhandlungen betroffenen Gebiet sei, solle sich an einen geschützten Ort begeben und dort warten, bis man ihn sicher verlassen könne. Gerade Dschermuk ist bei ausländischen Touristen beliebt, dort befindet sich ein bekanntes Mineralbad. (dpa/bef/reba)

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.