Rom. Die Wahl neuer Kardinäle, ein Gebet am Grab eines zurückgetreten Kirchenoberhaupts: Die Gerüchte über eine Demission nehmen zu.

Lange betete Papst Franziskus am Sonntag vor dem Grab von Coelestin V. Jenem sagenumwobenen mittelalterlichen Papst, der als erster in der Kirchengeschichte zurückgetreten ist. 1294 legte Coelestin als erster Pontifex freiwillig sein Amt nieder. Der Beschluss von Papst Franziskus, eine Wallfahrt ausgerechnet in die Abruzzen-Stadt L’Aquila zu unternehmen, wo sich Coelestins Grab befindet, nährte Spekulationen um einen baldigen Rücktritt des argentinischen Pontifex, der mit 85 Jahren mit Gesundheitsproblemen zu kämpfen hat.

Im Rollstuhl sitzend und mit einem Schutzhelm der Feuerwehr auf dem Kopf besuchte Franziskus am Sonntag den noch geschlossenen Dom der Bergstadt L´Aquila, die 2009 von einem verheerenden Erdbeben zerstört wurde. 309 Menschen starben. Der nach den Feierlichkeiten mit den 20 neu ernannten Kardinälen in Rom vom Vortag sichtlich erschöpfte Papst überließ die Feier der Messe dem Erzbischof L’Aquilas, Kardinal Giuseppe Petrocchi.

Papst Franziskus: Im Juni hatte er eine für Anfang Juli geplante Afrika-Reise abgesagt

Ende Juli hatte Franziskus einen möglichen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen angedeutet. Er müsse „seine Kräfte ein wenig aufsparen“ oder „andernfalls über die Möglichkeit nachdenken, beiseitezutreten“. Der Papst leidet an Schmerzen im rechten Knie und stützt sich seit Monaten auf einen Gehstock oder sitzt im Rollstuhl. Im Juni hatte er eine für Anfang Juli geplante Afrika-Reise abgesagt.

Sein Knieproblem könnte zwar durch eine Operation gelöst werden. Doch Franziskus will sich nach dem vergangenen Eingriff an seinem Dickdarm vor etwas mehr als einem Jahr nicht noch einmal unters Messer legen. Das Problem sei die Anästhesie, die beim letzten Eingriff bis heute Spuren hinterlassen habe. Nicht umsonst ernannte der Papst kürzlich einen persönlichen Gesundheitsassistenten, Massimiliano Strappetti, bisher Koordinator der Krankenpfleger im medizinischen Dienst des Vatikans.

Mit einem Feuerwehrhelm auf dem Kopf besuchte der Papst den Dom von L’Aquila.
Mit einem Feuerwehrhelm auf dem Kopf besuchte der Papst den Dom von L’Aquila. © AFP | Handout

„Gott wird entscheiden, aber ja, es stimmt: Die Tür ist offen.“

Dabei handelt es sich um jenen Krankenpfleger, der Franziskus im vergangenen Jahr zur Darmoperation geraten hatte. Damals hatte der Papst erklärt, dass er sein Leben in erster Linie einem Krankenpfleger des medizinischen Dienstes im Vatikan zu verdanken habe.

Am Rande seiner Reise nach Kanada vor ein paar Wochen sagte der Papst: „Die Tür einer Demission steht offen, sie ist eine der normalen Optionen.“ Er habe derzeit noch nicht daran gedacht, durch diese Tür zu gehen, das heiße aber nicht, dass er übermorgen nicht daran denken werde. „Gott wird entscheiden, aber ja, es stimmt: Die Tür ist offen.“

Die Ernennung von 20 neuen Kardinälen war ein Signal

Inzwischen zeichnet Franziskus das nächste Konklave vor. Mit der Ernennung von 20 neuen Kardinälen am Sonnabend nahm er schon Einfluss auf die Zukunft der katholischen Kirche. Müsste bald ein Nachfolger bestimmt werden, wäre das Wahlgremium voll besetzt. 132 Kardinäle sind im Kollegium jünger als 80 Jahre und damit wahlberechtigt. Das sind zwölf mehr, als Paul VI. einmal als obere Grenze definiert hatte.

Weniger Europa – dafür mehr Asien, Lateinamerika und Afrika, lautet die Devise Franziskus´, der sich selbst als „Papst vom anderen Ende der Welt“ bezeichnet hatte. Unter den neuen Kardinälen stammen auch vier aus Ländern, die noch nie einen Kardinal stellten: Singapur, Osttimor, Mongolei und Paraguay.

Der 48-jährige Giorgio Marengo aus der Mongolei ist der jüngste Kardinal

Jorge Mario Bergoglio – so der bürgerliche Name des Papstes – berief auch weniger Theologen, Dogmatiker und Akademiker als seine Vorgänger ins Konsistorium ein, dafür mehr Hirten und Missionare. Im neuen Konklave werden italienische Kardinäle eine geringere Rolle als bisher spielen.

Der Papst verzichtete darauf, Bischöfe italienischer Großstädte wie Mailand, Turin, Genua und Neapel zu Kardinälen zu ernennen. Dafür rückte der 48-jährige Missionar Giorgio Marengo, der seit vielen Jahren im mongolischen Ulan Bator arbeitet, zum Purpurträger auf. Marengo wird somit zum jüngsten Kardinal der katholischen Kirche.

Es wird über eine mögliche Reform der Regeln für die nächste Papstwahl spekuliert

Im Vorfeld des Konsistoriums wurde zuletzt auch über eine mögliche Reform der Regeln für die nächste Papstwahl, das Konklave, spekuliert. Mit einer Konklave-Reform könnte Franziskus einen Schritt wagen, den seine Vorgänger nicht gingen. Er könnte die Versammlung der Papstwähler öffnen, die Bischofssynode mit einbeziehen und vielleicht in der Vorwahlphase eine stärkere Beteiligung der Ortskirchen schaffen.

Mit dem Kardinalskollegium beriet Franziskus am Montag über die zu Pfingsten in Kraft getretene Apostolische Konstitution „Praedicate Evangelium“. Dabei handelt es sich um einen epochalen Schritt für die katholische Kirche.

Getaufte Laien sollen künftig Vatikan-Abteilungen leiten können

Italienische Vatikan-Experten bezeichnen die Kurienreform als „wichtigstes Vermächtnis“, das das Pontifikat von Franziskus seinen Nachfolgern hinterlassen wird. Vatikan-Insider bezeichnen die Reform als „revolutionär“.

Demnach sollen künftig getaufte Laien, egal ob männlich oder weiblich, jede beliebige Vatikan-Abteilung leiten können. Bisher war das nur Geistlichen vorbehalten. Damit wird die aktuelle Kurienverfassung „Pastor Bonus“ (Der gute Hirte) von 1988 komplett aufgehoben. Erwartet wird, dass dank dieser Reform auch Frauen eine stärkere Rolle im Vatikan spielen können.

Frauen demonstrierten am Montag vor Beginn der Kardinalsversammlung im Vatikan für die weibliche Priesterweihe. „Mehr als die Hälfte der Kirche besteht aus Frauen“, war auf einem Transparent der Demonstrantinnen zu lesen. Ob der Papst ein offenes Ohr für ihren Appell haben wird, könnten die nächsten Wochen bereits zeigen.

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de.