Rom. Die Gerüchteküche brodelt: Tritt nach Papst Benedikt nun auch Papst Franziskus vorzeitig ab? Sein Terminkalender soll Hinweise geben.

Es herrscht Unruhe im Vatikan, die Gerüchteküche brodelt. Plant Papst Franziskus, der von Knieproblemen geplagt wird, wie sein Vorgänger seinen Rücktritt? Geht es ihm gesundheitlich so schlecht, dass er sein Amt nicht mehr ausfüllen kann und will? Neuneinhalb Jahre nach der Demission von Franziskus’ Vorgänger, Benedikt XVI., wird im Vatikan ein Papst-Wechsel für möglich gehalten.

Die Bilder des 85-jährigen Franziskus’ im Rollstuhl bei Audienzen, Empfängen und sonstigen Anlässen beflügeln die Spekulationen der „Vaticanisti“, der professionellen Papst-Beobachter der italienischen und internationalen Medien. Franziskus hat gesundheitliche Probleme. Das rechte Knie schmerzt so stark, dass er kaum mehr gehen kann. Aus dem „launenhaften Knie“, wie er es scherzhaft nannte, scheint ein Dauerzustand geworden zu sein.

Die Arthrose belastet den Papst schon seit langem. Er wirkt müder und weniger präsent als früher. Er kann den Menschen nicht mehr so nahe kommen, sie umarmen und herzen, was ihn belastet. Es sei demütigend für ihn, Besucher bei Audienzen im Sitzen zu empfangen, gab er zu. Eine geplante Reise in die Demokratische Republik Kongo und in den Südsudan, die vom 2. bis zum 7. Juli stattfinden sollte, sagte Franziskus laut Vatikan ab.

Papst Franziskus: Terminkalender gibt Anlass für Spekulationen

Eine Operation lehnt er strikt ab. Er fürchtet die Folgen der Narkose, heißt es. „Ich trete lieber zurück, als mich einer Knieoperation zu unterziehen“, soll der Papst bei einem privaten Treffen mit italienischen Bischöfen kürzlich gesagt haben. Vor elf Monaten hatte sich der Papst bereits einer schweren Darmoperation mit Vollnarkose unterziehen müssen. Lesen Sie auch: Missbrauchs-Gutachten belastet Papst Benedikt schwer

Befeuert werden die Gerüchte auch durch den Terminkalender des Papstes. Dort sind einige für die Jahreszeit ungewöhnliche Papst-Termine Ende August. Spekulationen kursieren über das am 27. August einberufene Konsistorium zur Ernennung von 21 neuen Kardinälen; 16 von ihnen sind danach zur Papstwahl berechtigt. Mit der Neuernennung wird Franziskus das Kollegium sehr stark geprägt haben. Von den derzeit 132 Wahlberechtigten wurden 83 und damit fast zwei Drittel von ihm ernannt.

Papst Franziskus wird von Arthrose geplagt. Seine Knie schmerzen oft so stark, dass er nicht mehr laufen kann.
Papst Franziskus wird von Arthrose geplagt. Seine Knie schmerzen oft so stark, dass er nicht mehr laufen kann. © dpa | Alessandra Tarantino

Es ist ein offenes Geheimnis, dass ein Papst vor allem durch die Ernennung neuer Kardinäle auf den Kurs der Kirche nach seinem Pontifikat Einfluss nimmt. Vatikan-Experten fragen sich, warum der Papst das Konsistorium ausgerechnet im August angesetzt hat, einem Urlaubsmonat im heißen Rom.

„Es ist ungewöhnlich, dass der Papst Purpurträger aus aller Welt ausgerechnet in der heißesten Jahreszeit nach Rom einlädt“, kommentierte die gut informierte römische Tageszeitung „Il Messaggero“. Ein Konsistorium kurz nach „Ferragosto“, dem Höhepunkt der Feriensaison und des medialen Sommerlochs in Italien, gilt als ungewöhnlich.

Warum will der Papst in die italienische Apennin-Region Abruzzen reisen?

Beobachter wundern sich auch, warum Franziskus einen Tag nach dem Konsistorium in die Stadt L’Aquila in die italienische Apennin-Region Abruzzen reisen will. Dort wird er als erster Papst überhaupt an der sogenannten „Perdonanza Celestiniana“ teilnehmen. Dabei handelt es sich um eine Vergebungsfeier, die von Papst Cölestin V. eingeführt wurde. Cölestin trat als erster Papst der Neuzeit 1294 nach nur fünf Monaten im Amt zurück. Franziskus’ unmittelbarer Vorgänger Benedikt XVI. hatte 2009 an Cölestins Grab gebetet. Dies wurde nachträglich als Hinweis auf seinen vier Jahre später erfolgten Rücktritt betrachtet.

Der 95-jährige Benedikt lebt seit seiner Emeritierung in einem Kloster im Vatikan. Zwei Ex-Päpste gleichzeitig - unvorstellbar für viele „Vaticanisti“ - das wäre sozusagen die Revolution der Revolution.

Für Kardinal Óscar Rodríguez Maradiaga, ein Vertrauter des Papstes, sind das „Hirngespinste“. Franziskus habe noch viel vor und plane im Juli Reisen nach Kanada, in die Demokratische Republik Kongo und in den Südsudan. Im September wolle der Papst nach Kasachstan reisen. Außerdem sei er stark engagiert, die Friedensverhandlungen Krieg Russlands gegen die Ukraine zu fördern.

Franziskus hat die Kurienreform abgeschlossen

Aber die Spekulationen reißen nicht ab - auch weil die Kurienreform abgeschlossen ist. Am Pfingstsonntag trat die zu Beginn von Franziskus´ Amtszeit angekündigte Neuordnung der Römischen Kurie in Kraft- die Gesamtheit der Behörden und Gerichte, die der Papst zum Regieren der Weltkirche nutzt. Verankert ist sie in der im März vorgestellten Kurienverfassung, „Praedicate Evangelium“ (Verkündet das Evangelium). Sie bringt wichtige Neuerungen: Kurienchefs können demnach künftig auch Laien sein, Männer oder Frauen. Spätestens mit 80 Jahren muss jeder Kuriale künftig in Pension gehen - mit Ausnahme des Papstes selbst.

Die Kurienreform war ein Hauptanliegen Franziskus´ zu Beginn des Pontifikats. Es dauerte mehrere Jahre, bis sich ein Kardinalsrat, der dem Papst bei dem Entwurf der Reform zur Seite stand, zur Verfassung des neuen kirchlichen Grundgesetzes durchrang. Mit dem Inkrafttreten der Kurienreform hat sich der Papst ein großes Anliegen erfüllt. Könnte er also zurücktreten und einem jüngeren Nachfolger die Regierung der Weltkirche überlassen?

Viele Vatikan-Experten glauben das nicht. Zwei emeritierte Päpste zu haben und einen amtierenden halten sie für undenkbar. Zudem habe Franziskus seine Reise nach Kiew nur auf Eis gelegt, er will nicht darauf verzichten. Der Papst engagiert sich im Ukraine-Krieg als Friedensstifter und diese Rolle liege ihm zu stark am Herzen, als dass er ausgerechnet jetzt, währen der Ukraine-Konflikt voll im Gange ist, sein Amt niederlegen würde, so heißt es. Franziskus habe noch zu viel zu tun, um an Ruhestand zu denken.

Dieser Text erschien zuerst auf waz.de.