Berlin. Gaskunden müssen ab Oktober eine Umlage auf den Verbrauch bezahlen. Welche Kosten auf die Nutzer zukommen und welche Hilfen nötig sind.

Viele werden ihren Augen nicht trauen. Wenn ab Herbst erstmals die neue Gasumlage auf den Rechnungen erscheint, heißt es für viele Menschen in diesem Land kürzerzutreten. Die Gaskosten haben sich für Familien bereits im Schnitt auf rund 3570 Euro im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht. Nun kommt bei einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden noch ein Aufschlag über die Gasumlage von rund 580 Euro obendrauf, für Single-Haushalte etwa 144 Euro. Ein Batzen Geld vor allem für Geringverdienende, Rentner, Studierende oder Azubis.

Doch die Gasumlage trifft nicht nur Ärmeren hart, sondern reicht bis in die Mittelschicht hinein. Jeder Dritte hat laut Studien kein Erspartes. Ihr Geld reicht gerade aus, um die Alltagskosten zu stemmen. Viele Urlaube oder Weihnachtsgeschenke werden deshalb wohl kleiner ausfallen oder ganz wegfallen. Schon heute werden als Folge der steigenden Preise fast 100.000 Privatinsolvenzen erwartet.

Teures Gas: Mehr Hilfen für Geringverdienende

Um eine soziale Abwärtsspirale zu verhindern, muss sich die Regierung kluge Maßnahmen für wirklich Hilfsbedürftige einfallen lassen, damit niemand durch die Gasumlage ins Schuldenmachen oder in die Armut abgleitet. Gas ist wie Strom oder Wasser ein zentraler Baustein der Daseinsvorsorge und darf nicht zum Luxusgut werden.

Hier muss auch Bundeskanzler Olaf Scholz nachlegen, um sein vollmundiges Versprechen an die Bevölkerung „You‘ll never walk alone“ mit gezielten Hilfen wahr zu machen. Ob dies über weitere Heizkostenzuschüsse oder andere Hilfen erfolgt, sollte schnell entschieden werden.

Ein Weg dazu kann eine vorübergehende Absenkung der Mehrwertsteuer für Energie auf 7 Prozent sein. Der Staat verdient derzeit an der Inflation über die Mehrwertsteuer kräftig mit – allein in diesem Jahr könnten rund 60 Milliarden Euro mehr beim Fiskus landen. Wäre es nicht an der Zeit, dieses Geld umzuverteilen?

Teures Gas: Senkung der Mehrwertsteuer sinnvoll

Beate Kranz ist Wirtschaftsredakteurin der Funke Medien Gruppe
Beate Kranz ist Wirtschaftsredakteurin der Funke Medien Gruppe © Reto Klar | Reto Klar

Erst recht sollte die Mehrwertsteuer auf die Gasumlage gestrichen werden, mit dem der Verbraucher gleich doppelt belastet würde. Hier muss Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bei der Europäischen Union aufs Tempo drücken, schnell eine Ausnahmeregelung durchzusetzen.

Die Gas-Umlage ist laut Bundesregierung notwendig, um Gashändler wie Uniper zu entlasten oder vor der Pleite zu retten, die wegen gedrosselter Lieferungen aus Russland nun ihr Gas bei anderen Lieferanten einkaufen müssen, um ihre Verträge zu erfüllen.

Durch die Gas-Umlage werden die Folgen des russischen Angriffskriegs jedoch vor allem auf den Schultern von Privatleuten abgeladen. Unternehmen, die im Zuge der Kriegsfolgen kräftig Kasse machen, werden hierzulande unterdessen von einer Übergewinnsteuer verschont.

Gas: Übergewinnsteuer wäre sinnvoll

Hier traut sich die Bundesregierung nicht, die Wirtschaft zur Kasse zu bitten, obwohl dieses Instrument sogar in einem der Kernländer des Kapitalismus – in Großbritannien – angewendet wird, um die Kriegsfolgekosten zu finanzieren.

Umso wichtiger ist es, in den nächsten Monaten genau festzuhalten, welche Unternehmen wie viel Geld als Unterstützung aus der Gas-Umlage erhalten. Denn nicht alle Konzerne sind bedürftig, manche fahren sogar kräftige Gewinne ein: So wollen RWE und Shell die Hilfen nicht in Anspruch nehmen.

Konzerne, die Hilfe aus der Gasumlage erhalten, sollten spätestens dann, wenn sich die Marktlage wieder entspannen sollte, das erhaltene Geld wieder an die Verbraucher zurückzahlen, anstatt sie in Form von Boni oder Dividenden an ihre Manager und Anteilseigner auszuschütten. Auch dafür muss der Staat dann sorgen.