Berlin. Markus Söder will beim Benzinpreis für Entlastung sorgen. Der CSU-Chef sorgt sich zudem um einen Blackout – und fordert Vorbereitungen.

  • Die Preise für Benzin, Erdöl und Gas schießen durch die Decke
  • Verbraucherinnen und Verbraucher leiden unter den hohen Kosten
  • CSU-Chef Markus Söder prescht mit einer Forderung vor
  • Auch die Wirtschaft macht Druck

An der Zapfsäule, beim Nachfüllen des Tanks der Ölheizung und auch bei der nächsten Heizkostenabrechnung dürfte die Laune vieler Verbraucherinnen und Verbraucher derzeit in den Keller gehen.

Die Energiekosten sind im Zuge der weltweit anspringenden Konjunktur und der daraus resultierenden hohen Nachfrage bei langer Zeit knappen Angebot zuletzt durch die Decke gegangen. Um 18,6 Prozent verteuerte sich die Energie im Oktober im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt jüngst mitteilte.

Und an der Zapfsäule müssen längst Rekordpreise gezahlt werden. 1,53 Euro kostete laut ADAC-Angaben der Liter Diesel im Schnitt im Oktober, bei den Benzinpreisen musste für den Liter Super E10 musste im Schnitt 1,65 Euro pro Liter gezahlt werden. Am 2. November kletterten die Preise auf ein Rekordhoch: Diesel war mit 1,565 Euro so teuer wie nie, bei Super E10 fehlen noch 2,9 Cent zum bisherigen Allzeithoch aus dem Jahr 2012.

Benzin: CSU-Chef Söder fordert Steuersenkung

Dass der Sprit in diesem Jahr teurer werden würde, war abzusehen. Immerhin gilt in den Bereichen Wohnen und Verkehr seit Jahresbeginn der CO2-Preis von 25 Cent pro ausgestoßener Tonne CO2. Rund acht Cent der Mehrkosten sind also als Lenkungsmechanismus zu verstehen, der mehr Verbraucherinnen und Verbraucher zum Umstieg auf alternative Fahrzeugantriebe motivieren soll.

Dass die Kosten aber in Folge der lange reduzierten Erdöl-Fördermenge und der nun folgenden Knappheit derart klettern würde, hat auch viele Politikerinnen und Politiker überrascht. CSU-Chef Markus Söder zeigt sich nun offen für Entlastungen. „Beim Benzin sollten wir überlegen, ob wir die Mehrwertsteuer vorübergehend auf den ermäßigten Satz reduzieren“, sagte Söder im Gespräch mit unserer Redaktion.

Regulär werden beim Verkauf des Kraftstoffes 19 Prozent Mehrwertsteuer berechnet. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent gilt für den Grundbedarf – also zum Beispiel für viele Lebensmittel und auch für Bücher, aber beispielsweise auch für Tickets des öffentlichen Personennahverkehrs.

CSU-Chef Markus Söder spricht sich für eine vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer beim Benzin aus.
CSU-Chef Markus Söder spricht sich für eine vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer beim Benzin aus. © EPA-EFE | Lukas Barth-Tuttas

Mittelstand fordert Halbierung der Mineralölsteuer

Auch Wirtschaftsverbände und Verbraucherschützer sehen die derzeitige Entwicklung mit Sorge. Markus Jerger, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), fürchtet angesichts der Folgen der Energiepolitik mittel- und langfristig um eine Gefährdung des Wirtschaftswachstums und der Beschäftigung.

Neben den hohen Preisen trifft vor allem die Logistik derzeit ein weiteres Problem: Beim Abgasreinigungs-Zusatz AdBlue drohen Engpässe, wie der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung jüngst warnte. Mittelstand-Verbandschef Jerger fordert von der amtierenden Bundesregierung und den Verhandlern einer sich abzeichnenden Ampelkoalition eine zeitnahe Lösung: „Zur schnellen Entlastung der Unternehmen und privaten Verbraucher sollte die Mineralölsteuer zeitlich befristet halbiert und die Pendlerpauschale spürbar erhöht werden“, sagte Jerger unserer Redaktion.

Oberster Verbraucherschützer fordert "sozial gerechten Ausgleich"

Es ist eine Forderung, der sich Deutschlands oberster Verbraucherschützer nicht anschließen möchte, obwohl auch Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), einen „sozial gerechten Ausgleich für Verbraucherinnen und Verbraucher“ fordert. Zwar sei der derzeitige Preisanstieg nur in einem geringen Maße auf den CO2-Preis zurückzuführen, sagte Müller unserer Redaktion. Perspektivisch kämen aber weitere Kosten hinzu.

Bis 2025 soll der CO2-Preis auf einen Preiskorridor von 55 bis 65 Euro pro Tonne Kohlendioxid steigen. Selbst mit der unteren Preisspanne kämen also rund 17 Cent pro Liter hinzu. Die Pendlerpauschale zu erhöhen, erzielt laut Müller aber nicht den gewünschten Effekt. Einer Studie der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft mit dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag des vzbv zufolge nützt die Steuerkompensation aufgrund des höheren Grenzsteuersatzes nämlich vor allem einkommensstarken Haushalten.

Müller plädiert daher für ein sogenanntes Mobilitätsgeld, das einkommensunabhängig ausgeschüttet wird. „Denn das Mobilitätsgeld entlastet – anders als die Pendlerpauschale – alle Einkommensschichten gleichermaßen“, sagte Müller.

Energiekosten für private Haushalte auf Rekordhoch

Deutschlands oberstem Verbraucherschützer machen aber nicht nur die Spritkosten Sorgen. Das Vergleichsportal Verivox hatte am Wochenende errechnet, dass die privaten Haushalte derzeit so viel wie noch nie für Heizung, Strom und Sprit bezahlen müssen.

Für einen Drei-Personen-Musterhaushalt würden die Preise auf das ganze Jahr hochgerechnet 4549 Euro betragen – und damit 35 Prozent mehr als im Vorjahr. „Niemand sollte im Winter frieren müssen“, warnte Müller und forderte: „Gassperren müssen ausgesetzt werden.“ Zudem sprach er sich für eine Strompreisreform aus.

Söder will Verbraucher und Wirtschaft entlasten

Damit stößt er in dieselbe Kerbe wie der bayerische Ministerpräsident. Söder spricht sich beispielsweise für Steuererleichterungen bei den Energiekosten aus. Offen zeigte sich der CSU-Chef auch für Heizkostenzuschüsse für sozial Schwächere, wie sie unter anderem bereits der Gemeindebund und die Arbeiterwohlfahrt ins Gespräch gebracht hatten.

Aber auch der Wirtschaft will Söder stärker unter die Arme greifen. Die Industrie hierzulande ist stromlastig, auch viele Mittelständler brauchen für ihre Produktionen große Mengen Strom. Deutschland ist allerdings Europameister bei den Strompreisen – eine unrühmliche Auszeichnung, die Wirtschaftsverbände in konstanter Regelmäßigkeit mit einer Warnung vor einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit quittieren.

Söder fordert Sicherungsplan gegen Blackouts

Söder greift nun Forderungen der Industrie auf – und fordert einen gedeckelten Industriestrompreis, die Abschaffung der EEG-Umlage und eine Senkung der Stromsteuer auf ein europäisches Mindestmaß. Doch er geht noch weiter: Angesichts der drastisch zunehmenden Menge an Strom, den die Energiewende mit sich bringen wird, sorgt sich der CSU-Chef vor dem Szenario eines flächendeckenden Stromausfalls: „Es darf keinen Blackout geben“, warnte Söder. Er forderte einen Sicherungsplan, um Blackouts zu verhindern. Denn: „Wenn Blackouts drohen, wird der deutsche Wirtschaftsmotor stottern“, sagte Söder.

Zudem drohe Deutschland international abgehängt zu werden, wenn es nicht genug Strom für die Elektromobilität und die Digitalisierung habe.

Früheren Kohleausstieg hält Söder für möglich

Wie aber lässt sich das Problem der Versorgungssicherheit lösen? Das aktuell laufende Jahr hat bereits gezeigt, dass es eng wird, wenn die erneuerbaren Energien nicht schnell ausgebaut werden. Die Kohle hat angesichts ausbleibenden Winds und wenig Sonnenstunden die erneuerbaren Energien in diesem Jahr wieder als wichtigsten Energieträger abgelöst. Dabei ist Kohle der CO2-intensivste Energieträger hierzulande.

Spätestens 2038 soll Schluss sein mit der Kohleverbrennung, eine mögliche Ampel-Koalition würde den Ausstieg nach Möglichkeit gerne vorziehen, wie es im Sondierungspapier heißt. Und auch Söder kann sich einen früheren Kohleausstieg durchaus vorstellen: „Wir sind relativ sicher, dass ein vorgezogener Kohleausstieg machbar ist“, sagte er. Ab 2030 sei Kohle ohnehin kaum mehr rentabel.

Söder setzt auf Nord Stream 2

Söder setzt daher auf Gas – am liebsten schnellstmöglich aus der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Noch aber gibt es keine Genehmigung für die Pipeline, zahlreiche Gerichtsverfahren stehen der Inbetriebnahme im Weg.

Söder drückt dennoch aufs Tempo. Angesichts der steigenden Preise und des wachsenden Strombedarfs brauche man Gaskraftwerke. „Nord Stream 2 wäre einfach eine sichere Grundlage dafür, dass wir in Deutschland eine stabile Verfügbarkeit von Gas haben“, sagte Söder. Entsprechend sei es sinnvoll, die Ostsee-Pipeline „bald“ zu öffnen, damit sich der Gaspreis reguliere.

Rückkehr zum Atomstrom ist für Söder keine Option

Anders sieht es beim Atomstrom aus. Immer wieder wird diskutiert, ob zum Erreichen der Klimaziele nicht eine Rückkehr zur Nuklearenergie notwendig wäre. Die EU-Kommission prüft derzeit, Atomstrom im Zuge der Taxonomie als nachhaltig einzustufen – das würde Erzeugern, aber auch Zulieferern und Endlagern die Möglichkeit hoher Einnahmen am Kapitalmarkt sichern, wenn etwa große Fonds sie in Nachhaltigkeitsprodukte aufnehmen müssten. Vor allem Frankreich gilt als Verfechter des Vorhabens.

Söder hingegen hält eine Rückkehr zum Atomstrom für keine Option. „Der Beschluss zum Atomausstieg basiert auf einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz“, sagte der CSU-Chef.

Bundesumweltministerin Schulze erteilt Atomstrom eine klare Absage

Noch deutlicher wird die geschäftsführende Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD): „Atomkraftwerke zu bauen ist viel zu teuer und dauert viel zu lange für den Klimaschutz“, sagte Schulze im Gespräch mit unserer Redaktion. „Mal angenommen, wir würden uns entscheiden, doch wieder Atomstrom zu machen. Man findet eine Gemeinde, die ein Atomkraftwerk haben möchte, man beantragt die Genehmigungen, eröffnet einen gesellschaftlichen Großkonflikt und baut dann – da sind wir nach 2045, bis das Ding steht. Das bringt dem Klima nichts.“

Noch länger würde es dauern, um mit dem Abfall fertig zu werden. „Drei Generationen haben in Deutschland Atomenergie genutzt, 30.000 müssen sich mit den Hinterlassenschaften beschäftigen“, sagte die SPD-Politikerin.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) erteilt der Diskussion zur Rückkehr zur Atomkraft eine klare Absage.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) erteilt der Diskussion zur Rückkehr zur Atomkraft eine klare Absage. © Reto Klar | Reto Klar

Schulze spricht sich gegen Atomkraft als „grüne Energie“ aus

Auch die mögliche EU-Einstufung der Atomkraft als „grün“ hält Schulze für falsch. „Wir wollen keine Atomenergie, wir halten sie nicht für nachhaltig, und wir wollen auch nicht, dass die EU das unterstützt“, sagte die geschäftsführende Bundesumweltministerin. Die deutsche Position dazu sei vollkommen klar, und „da sind wir auch nicht die einzigen, die das so sehen“, sagte Schulze. Es sei auch noch nicht entschieden, dass diese Einstufung komme, „auch wenn Frankreich seine Interessen gerade sehr lautstark vorträgt“.

Angesichts der Debatte über den Wiedereinstieg in Atomkraft sagte sie, sie habe den Eindruck, der oder andere habe vergessen, warum Deutschland aus dem Atomstrom aussteigt: „Da gab es zwei große Unglücke, Tschernobyl und Fukushima. Wir haben bewusst entschieden, das nicht mehr zu machen, weil es in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland zu gefährlich ist.“

Schulze kritisiert Bayern beim Ausbau der Windkraft

Nötig sei jetzt ein „echter Aufbruch“ bei erneuerbaren Energien – und dort sieht sie CSU-Chef Söder in der Pflicht, seine Hausaufgaben zu machen. „Länder wie Nordrhein-Westfalen und Bayern verhindern ja eher, dass Windenergie gebaut wird. Das ist Politik gegen die Industrie, gegen die Versorgungssicherheit“, kritisierte Schulze.

In Bayern gilt unter anderem die sogenannte 10-H-Regelung, die besagt, dass der Abstand der nächsten Ortschaft dem Zehnfachen der Höhe der Windkraftanlagen entsprechen muss. Sprich: Ist eine Windkraftanlage 200 Meter hoch, darf die nächstgelegene Wohnsiedlung nicht näher als zwei Kilometer entfernt liegen.

Söder sieht Versäumnisse beim Bund

Ohnehin geht es beim Ausbau nur spärlich voran. Im gesamten vergangenen Jahr wurden in Bayern nur drei Genehmigungsanträge für neue Windräder bei den Landratsämtern gestellt. Söder hingegen wehrt sich gegen pauschale Verpflichtungen an alle Landkreise. „Es bringt nichts, wenn man jeden Landkreis verpflichtet, 100 Windräder aufzustellen. Das macht nur dort Sinn, wo viel Wind weht“, sagte der bayerische Ministerpräsident – und spielte den Ball zurück zu Schulze.

Es brauche ein bundesweites Beschleunigungsgesetz für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Vor allem beim Stromleitungsbau gehe es zu langsam voran. „Das ist die Schwäche Deutschlands: Windräder im Norden stehen still, weil keine Leitungen da sind, um den Strom abzunehmen“, kritisierte Söder.