Berlin. Es ist das Ende einer Ära in der immer noch jungen AfD: Nach sechs Jahren an der Spitze hat Parteichef Jörg Meuthen am Montag seinen Rückzug angekündigt. Beim kommenden Parteitag im Dezember in Wiesbaden will er nicht mehr antreten, das schrieb er am Montag in einem Rundschreiben an die AfD-Mitglieder.
Was der Auslöser für seinen Rückzug ist, erklärte Meuthen in der Email nicht. Doch es gibt mehrere Entwicklungen aus den letzten Jahren, die an diesen Punkt geführt haben.
Erster und wohl wichtigster Grund für die Ankündigung: Meuthen kommt mit seinem Rückzug möglicherweise einer Abwahl durch die Partei zuvor. Denn der Rückhalt des Parteichefs schwand seit längerem, eine Wiederwahl war keineswegs sicher. Zu nachdrücklich hatte er sich dafür dem Netzwerk des ehemaligen „Flügels“ um den Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke angelegt. Nachdem er selbst jahrelang mit dem „Flügel“ paktiert hatte, versuchte Meuthen zuletzt verstärkt, dessen Vertreter aus der Partei zu drängen.
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Meuthen hatte sich immer wieder mit Höcke und dem Ex-“Flügel“ angelegt
Auf dem Parteitag in Kalkar 2020 hatte er Parteifreunde scharf kritisiert, die „rumkrakeelen und rumprollen“, und deutlich gemacht, dass er es nicht für klug hält, in Bezug auf die Corona-Maßnahmen von einer „Diktatur“ oder einem Ermächtigungsgesetz zu sprechen.
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Doch dass er für seinen Kurs keine verlässliche Mehrheit der Mitglieder hinter sich hatte, zeigte zuletzt der Parteitag in Dresden, wo Höcke und seine Mitstreiter zahlreiche Verschärfungen des Wahlprogramms durchbringen konnten. Auch das Verhältnis zu Co-Parteichef Tino Chrupalla, der dem Ex-„Flügel“ nahesteht, ist seit einiger Zeit sehr angespannt.
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Hintergrund für Meuthens Bemühungen, die Partei auf einem für ihre Verhältnisse gemäßigten Kurs zu halten, war die drohende Beobachtung durch den Verfassungsschutz, die seit einiger Zeit über der AfD schwebte. Dass dieser Kampf inzwischen praktisch verloren ist, ist ein weiterer möglicher Grund für den Rückzug von der Parteispitze.
Noch ist eine Beobachtung nicht offiziell. Nach Medienberichten wollte das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD in den Rang eines „Verdachtsfall“ hochstufen. Die AfD erreichte durch juristische Intervention zwar, dass diese Einstufung vorläufig gestoppt wurde, doch aus der Welt ist das Problem für die Partei damit keineswegs.
Für die AfD ist keine Regierungsbeteiligung in Sicht
Die drohende Beobachtung war der wichtigste Grund für Meuthens Bemühungen, die radikalsten Umtriebe seiner Parteifreunde einzudämmen. Er sah durch die Etikettierung durch die Verfassungsschützer die Anschlussfähigkeit seiner Partei ins bürgerliche Lager bedroht, wo er eigentlich Stimmen hinzugewinnen wollte.
Nach fast zwei Prozent Verlust bei der Bundestagswahl machte Meuthen einen Grund für das Ergebnis der AfD in Forderungen wie der nach dem „Dexit“ aus, also dem Austritt Deutschlands aus der EU. Die Radikalität von Teilen der Partei, so seine Analyse, schrecke Wähler ebenso ab wie mögliche Bündnispartner.
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In der Konsequenz ergibt sich ein dritter potenzieller Grund für den Parteichef, zu gehen: Die AfD ist wohl so weit von einer Regierungsbeteiligung entfernt wie nie zuvor. 2019 hatte Meuthen dieser Redaktion noch gesagt, er rechne mittelfristig zumindest auf Landesebene mit Koalitionen, an denen auch die AfD beteiligt ist. Doch danach sieht es nicht aus, alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien haben der AfD wiederholt und eindeutig eine Absage für jede Form der Regierungszusammenarbeit erteilt.
Dabei wird es absehbar auch bleiben. Denn Meuthens Rückzug dürfte die radikalsten Kräfte in der Partei noch stärken.
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