Berlin. Kita- und Schulöffnungen gelten wegen der Corona-Mutationen als Risiko. Ist die Rückkehr zum Regelbetrieb nur eine Öffnung auf Zeit?

  • Nach und nach sollen Schulen und Kitas nach den langen Corona-bedingten Schließungen in den nächsten Wochen wieder öffnen
  • Doch die Sorge vor Ansteckungen bleibt – vor allem wegen der Ausbreitung der ansteckenderen Coronavirus-Mutationen
  • Ist die Rückkehr zum Regelbetrieb nur eine Öffnung auf Zeit?

Bis vor wenigen Wochen schienen sie in Deutschland allenfalls eine Randerscheinung zu sein. Doch inzwischen breiten sich die wesentlich ansteckenderen Mutationen des Coronavirus auch hierzulande mit hoher Geschwindigkeit aus. Es ist vor allem die in Großbritannien grassierende Corona-Variante B.1.1.7, die derzeit auch bei uns um sich greift.

Laut Robert Koch-Institut (RKI) stieg ihr Anteil an den Neuinfektionen innerhalb von nur zwei Wochen von knapp 6 auf jetzt 22 Prozent. Damit geht inzwischen jede fünfte Neuansteckung auf die britische Variante des Corona-Erregers zurück. So gesehen sind es nicht gerade die besten Voraussetzungen, um sich nun aus dem seit Mitte Dezember anhaltenden harten Lockdown herauszuwagen.

Corona: Politik räumt der Öffnung von Schulen Vorrang ein

Diejenigen, die demnächst die ersten Schritte in diese Richtung proben, sind die Kinder und Jugendlichen. Sie sitzen seit Monaten zu Hause und versuchen, aus der Ferne zu lernen. Vielen gelingt es, doch ein beträchtlicher Teil droht den Anschluss an den Lernstoff zu verlieren. Daher räumt die Politik der Öffnung von Schulen und Kitas Vorrang ein. Nach und nach soll der Heimunterricht enden und der Weg zurück in die Klassenräume führen. So weit der Plan.

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Doch fragen sich inzwischen viele, ob dies angesichts der deutlich aggressiveren Viren überhaupt verantwortbar ist. Es geht die Sorge um, dass die Neuansteckungen wieder stark zunehmen, sobald die Schulen und Kitas öffnen und es wieder zu mehr Kontakten in Klassenzimmern, Pausenhöfen und Schulbussen kommt.

Kitas und Schulen: Wie ist die Situation in den einzelnen Bundesländern?

Etliche Bundesländer planen bereits ab Montag eine schrittweise Rückkehr in den Präsenzunterricht, in einigen Ländern beginnt in den Kitas der Regelbetrieb - ein Datum, das viele Eltern herbeisehnen. Die aktuelle Situation in den Bundesländern.

  • Baden-Württemberg: Am 22. Februar werden Kitas und Grundschulen schrittweise geöffnet
  • Bayern: Kitas öffnen am 22. Februar, ebenso die Grundschulen - diese allerdings mit Wechselunterricht
  • Berlin: Am 22. Februar sollen Grundschulen schrittweise öffnen, Kitas sind im Notbetrieb und öffnen am 7. März wieder regulär
  • Brandenburg: Ab 22. Februar Wechselunterricht in den Klassenstufen eins bis sechs, Kitas sind geöffnet
  • Bremen: Ab 1. März kehren Grundschulen in den Präsenzunterricht zurück, Kitas in den eingeschränkten Regelbetrieb
  • Hamburg: Ab 22. Februar Wechselunterricht in den Klassenstufen eins bis sechs, Kitas bleiben im Notbetrieb
  • Hessen: Am 22. Februar öffnen die Kitas, Wechselunterricht in den Klassenstufen eins bis sechs
  • Mecklenburg-Vorpommern: Grundschulen und Kitas nehmen am 24. Februar schrittweise ihren Betrieb auf
  • Niedersachsen: Kitas bieten derzeit Notbetreuung an, Grundschulen geben Wechselunterricht - Termin für weitere Öffnungen ist noch unklar
  • Nordrhein-Westfalen: Kitas und Grundschulen öffnen schrittweise am 22. Februar
  • Rheinland-Pfalz: Am 22. Februar nehmen Grundschulen und Kitas schrittweise ihren Betrieb auf
  • Saarland: Kitas sind geöffnet, am 22. Februar öffnen Grundschulen im Wechselunterricht
  • Sachsen: Seit 15. Februar sind Grundschulen und Kitas im eingeschränkten Regelbetrieb wieder geöffnet
  • Sachsen-Anhalt: Kitas und Schulen öffnen schrittweise am 1. März
  • Schleswig-Holstein: Grundschulen und Kitas öffnen am 22. Februar schrittweise
  • Thüringen: Grundschulen und Kitas gehen am 22. Februar in den eingeschränkten Regelbetrieb, die Klassenstufen fünf und sechs kehren voraussichtlich am 1. März zurück

Lehrerverband: Corona-Mutationen bedrohen die Schulöffnungen

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, ist besorgt. Er bezeichnet die Mutationen als „die größte Bedrohung für eine klare, verlässliche und nachhaltige Schulöffnungsperspektive“. Dabei gehe es „auch um die Gefahr einer dritten Welle und damit einer nochmaligen Schulschließungsphase“, sagte Meidinger unserer Redaktion. Es sei deshalb unbedingt notwendig, auf Vorsicht zu setzen. Lesen Sie hier: Corona-Mutationen: Beginnt jetzt eine neue Pandemie?

Zu frühe Öffnungen bei zu hohen Inzidenzen könnten hingegen dazu führen, dass sich der aktuelle Trend zurückgehender Ansteckungszahlen „ganz schnell umkehrt“ – mit womöglich weitreichenden Folgen für die Kinder und Jugendlichen. Meidinger verdeutlichte: „Ein dritter Lockdown würde dann die ernsthafte Frage aufwerfen, ob dieses Schuljahr noch zu retten ist.“ Er plädierte daher für strengere Vorgaben bei Schulöffnungen.

Vollständiger Präsenzunterricht sollte „wegen der Gefahr durch Mutationsvarianten erst ab einer Inzidenz von unter 35 angeordnet werden dürfen“. Auch eine schrittweise Rückkehr vom Distanz- in den Wechselunterricht solle es nur geben, wenn die Inzidenz in der jeweiligen Region für mindestens eine Woche unter 100 lag „und der Trend rückgehender Infektionszahlen stabil ist“.

Impfpriorität für Lehrkräfte und Kitabeschäftigte könnte helfen

Hingegen sei es „unverantwortlich“, wenn jetzt bereits wieder Schulen in Sachsen, im Saarland und in anderen Bundesländern teilweisen oder sogar vollständigen Präsenzunterricht einführten, „und zwar auch in Landkreisen und Kommunen, die noch weit über 100 liegen“.

Um eine sichere Rückkehr in den Präsenzunterricht zu gewährleisten, seien schärfere Maßnahmen für den Gesundheitsschutz notwendig. Meidinger nannte unter anderem eine höhere Impfpriorität für Lehrkräfte und Kitabeschäftigte sowie Raumluftfilteranlagen für Klassenräume, die nicht ordentlich gelüftet werden könnten.

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Die Länder, in deren Zuständigkeit die Schulen liegen, sind sich der neuen Herausforderung durch die Corona-Varianten bewusst. Die Kultusministerkonferenz (KMK) beobachte die Entwicklung der Mutationen „mit großer Aufmerksamkeit“, sagte die derzeitige KMK-Präsidentin und Bildungsministerin von Brandenburg, Britta Ernst (SPD), unserer Redaktion.

Verstärkte Schutzmaßnahmen für Schulen und Kitas gefordert

Für bereits bestehende wie geplante Öffnungen der Grundschulen würden verstärkte Schutzmaßnahmen getroffen. Unter anderem prüften die Länder im Schulbetrieb den vermehrten Einsatz von Antigen-Schnelltests und die ab März zugelassenen Selbsttests.

Viele Schüler und Eltern sind mit dem Heimunterricht überfordert.
Viele Schüler und Eltern sind mit dem Heimunterricht überfordert. © Marit Langschwager | Marit Langschwager

Doch auch eine erneute Rückkehr ins Homeschooling bleibt laut KMK eine Variante, falls sich die hoch ansteckenden Mutationen weiter ausbreiten. „Für die erneute Einführung von Distanzunterricht wurden bereits mehrheitlich Inzidenzwerte festgelegt“, betonte Ernst.

Baden-Württemberg etwa, das ab Montag seine Grundschulen mit Wechselunterricht schrittweise öffnet, will mit einer solchen Ausweitung der Tests für mehr Sicherheit auch vor Mutationen sorgen. Ab dem 22. Februar könnten sich Beschäftigte an Kitas und Schulen, die in Präsenz arbeiten, „zweimal pro Woche per Schnelltest testen lassen“, sagte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) unserer Redaktion. Anlasslose Schnelltests seien ein wichtiger Baustein der Pandemiebekämpfung.

Wie groß ist die Gefahr, dass Kitas wieder geschlossen werden?

Eltern von kleinen Kindern sehen sich seit Beginn der Pandemie mit Betreuungsengpässen konfrontiert. Sie stellen sich die Frage, ob die Kitas dieses Mal dauerhaft geöffnet bleiben, sobald sie ihren Betrieb wieder aufnehmen. Wie es mit den Einrichtungen weitergeht, könnte künftig vom Inzidenzwert in den jeweiligen Regionen abhängen: Das nordrhein-westfälische Phasen-Modell sieht etwa vor, dass Kitas regional oder auch landesweit geschlossen werden, sobald es das Infektionsgeschehen erfordere.

Wie die Corona-Kita-Studie in ihrem ersten Monatsbericht 2021 mitteilt, wurden bis Mitte Januar insgesamt 781 Ausbrüche mit dem Infektionsumfeld „Kindergarten, Hort“ an das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelt, denen insgesamt 4172 Erkrankungen zugeordnet worden seien. Größere Ausbrüche seien in dem Umfeld die Ausnahme, heißt es in dem Bericht weiter: „Die Kita/Hort-Ausbrüche nehmen insgesamt einen geringen Anteil von 8% an allen Ausbrüchen ein, in denen Kinder im Alter von 0 bis 5 Jahre Teil des Ausbruchs waren.“