Berlin. Neuwaren, die der Online-Handel als Abfall entsorgt – das will die Bundesregierung verhindern. Doch ihr Gesetzentwurf bleibt unklar.

Die Bilder waren erschütternd, und der Film hat später auch den Medienpreis der Deutschen Umwelthilfe gewonnen: „Retouren für den Müll – Schrottplatz Amazon“ des ZDF-Magazins „Frontal 21“ zeigte, wie ein großer Onlinehändler zurückgesandte Waren im großen Stil wegwarf. Gute Kühlschränke, Handys, Tablets oder Möbel wanderten dem Beitrag zufolge ständig in die Schrottpresse.

Solche und andere Berichte zeigten nun Wirkung auf die Politik: Die Bundesregierung hat am Mittwoch ein Gesetz abgesegnet, das die Vernichtung von Waren durch den Handel nur noch als letzte Möglichkeit erlaubt. Die Initiative ging von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) aus.

Die Neuregelung der Kreislaufwirtschaft muss erst noch durch den Bundestag, doch ihre Verabschiedung gilt als wahrscheinlich. Sie sieht eine „Obhutspflicht“ für die Waren vor. Das neue Gesetz versucht damit, die Folgen der Verbraucherrechte-Richtlinie der EU von 2011 aufzufangen. Diese erlaubt den Kunden die Rückgabe aller online bestellten Waren innerhalb von 14 Tagen. „Die zwei Regelungen widersprechen sich tatsächlich zum Teil“, sagt Daniela Bleimaier vom Bundesverband E-Commerce. „Doch die Obhutspflicht halten wir in der Praxis bereits ein.“ Es liege schließlich auch im Interesse der Händler, die Waren noch zu verkaufen. Nur ein „minimaler Anteil“ lande im Müll.

Retouren: IT soll Rücksendungs-Potenzial einschätzen

Der Handel versucht schon lange, die hohe Zahl der Retouren in den Griff zu bekommen. Der IT-Dienstleister IBM sieht hier einen erheblichen Markt – und will den Onlineshops mit passender Software helfen. „Für den Handel ist das derzeit ein großes Thema“, sagt Berater Daniel Kranz von IBM. „Wir sehen großes Interesse an datengetriebenen Lösungen, um Retouren zu verringern.“ Selbstlernende Systeme erkennen dafür Muster in den Rücksendungen und liefern zunehmend genaue Vorhersagen, welche Artikel die Kunden nicht behalten wollen.

Besonders aktuell ist das Problem beim Mode-Versand. Das System ist bereits bei einem namhaften Onlinehändler im Einsatz und bewährt sich dort bereits. Für jede neue Kollektion rechnet das Programm die vermutete Retourenquote aus – und liegt häufig richtig. Das System betrachtet hier auch den Einzelfall: Wenn bei einem Kunden bestimmte Artikel zusammen im Warenkorb liegen, kann es bereits Wahrscheinlichkeiten für deren Rücksendung berechnen.

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Retouren schaden dem Image der Händler

Das Ziel der Händler ist, Retouren zu vermeiden – schließlich sind sie teuer und schaden dem Image der Branche. „Es gibt hier verschiedene Möglichkeiten zu reagieren“, sagt Kranz. Eine Möglichkeit ist ein Appell an den Kunden. So kann die Seite darauf hinweisen, dass die Passform der Hose nicht zusammen mit dem ausgewählten Oberteil funktioniert. Viele Käufer bestellen heutzutage bekanntlich auf Verdacht, um die Teile anzuprobieren. Doch schon die reine Vorhersage der Retouren hilft, Ressourcen zu sparen. Wenn für einen Artikel hohe Rückläufe prognostiziert sind, muss der Händler von vornherein nicht so viel nachbestellen.

Generell arbeitet die Branche jedoch darauf hin, die Kunden besser zu erziehen. Das kommt aber schlecht an – die Verbraucher haben sich ans freie Rücksenden gewöhnt. Als der Modehändler Zalando probeweise Kunden angeschrieben hat, die neun von zehn Artikeln zurückgeschickt haben, beklagten sich viele von ihnen in den sozialen Medien über das angeblich unfreundliche Verhalten des Händlers. Dabei hatte das Unternehmen bloß um Mithilfe bei der Vermeidung von Retouren gebeten.

Kritik an neuer Berichtspflicht für Händler

Die Kunden erwarten zugleich eine unbeschädigte Originalverpackung und das Recht zur Retoure. Ein Widerspruch, den Händler wie notebooksbilliger.de durch das Angebot preiswerter „B-Ware“ mit wieder zugeklebter Verpackung und eventuell kleinen Kratzern lösen.

Die Händler wenden sich nun vor allem gegen weitere Pflichten, die das Gesetz ihnen künftig vorschreibt. Der E-Commerce-Verband sieht vor allem in der neuen Berichtspflicht zum Verbleib retournierter Waren ein „bürokratisches Monster“. Für Zalando oder Amazon sei sie nicht so ein großes Problem, aber kleinen, spezialisierten Onlineshops, hinter denen oft nur wenige Mitarbeiter stehen, macht sie viel Arbeit. „Dort, wo sich die Weiterverwendung aus Kostengründen nicht lohnt, könnten wirtschaftliche Anreize einen viel größeren Effekt entfalten als bürokratische Berichtspflichten“, teilte auch der Digitalverband Bitkom mit. Es steige ohnehin das Bewusstsein der Verbraucher für Nachhaltigkeit. Laut einer Bitkom-Studie schicken 57 Prozent der Onlineshopper aufgrund der Debatte über den Klimawandel weniger Waren zurück.