Berlin. Markus Söder bezweifelt die Funktionalität der GroKo – und fordert einen Neustart. Seine Kritik könnte gleich mehrere Minister treffen.

Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat überraschend personelle Veränderungen in der Bundesregierung gefordert. „Wir sollten bis Mitte des Jahres das Regierungsteam verjüngen und erneuern. Denn es braucht Aufbruchstimmung“, sagte Söder in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“. Man müsse neuen Schwung in die Regierung bringen. Konkrete Namen, welche Minister gehen sollen, nannte er nicht.

Söder begründete den Vorstoß damit, dass sich auch eine Fußballmannschaft in der zweiten Halbzeit mit „neuen und frischen Kräften“ verstärke. Vor allem um die Themen Innovation und Wirtschaft müssten sich CDU und CSU stärker kümmern. In diesen Bereichen „entscheidet sich die Zukunft und der Wohlstand Deutschlands“, argumentierte der CSU-Chef.

Die Forderung nach einer Kabinettsumbildung kommt unmittelbar vor der Klausurtagung der CSU-Bundestagsabgeordneten im Kloster Seeon in Oberbayern. Die 46 Abgeordneten bereiten sich dort ab diesem Montag auf das politische Jahr vor. Eine Woche später treffen sich am selben Ort in der Nähe des Chiemsees die CSU-Abgeordneten im bayerischen Landtag.

Bundesregierung umbauen? Wenig Reaktionen auf Söders Vorstoß

Planmäßig werden in den nächsten Monaten zwar weder das Landesparlament noch der Bundestag neu gewählt. In Bayern finden aber am 15. März Kommunalwahlen statt. Für Söder sind sie der erste Test in seiner Rolle als Parteichef. Im Oktober 2018 hatte die CSU bei der Landtagswahl starke Verluste hinnehmen müssen. Söder war damals Spitzenkandidat. Parteivorsitzender war aber noch Horst Seehofer.

Söders Vorstoß löste in der Union zunächst keine Reaktionen aus – weder in der eigenen Partei noch in der CDU. Für den Koalitionspartner SPD wies dessen parlamentarischer Geschäftsführer Carsten Schneider darauf hin, dass jede an der Bundesregierung beteiligte Partei selbst entscheide, welche Minister sie in die Regierung schicke.

Söder kann nur Minister seiner eigenen Partei auswechseln

„Die Unzufriedenheit von Herrn Söder mit seinen CSU-Ministern scheint groß zu sein“, sagte Schneider unserer Redaktion. Für die SPD seien die Umsetzung der Grundrente und die Begrenzung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen wichtiger als „irgendwelche Personalspekulationen“.

Tatsächlich kann Söder formal nur über die drei CSU-Bundesminister entscheiden. Derzeit ist die Partei mit Innenminister Horst Seehofer (70), Entwicklungsminister Gerd Müller (64) und Verkehrsminister Andreas Scheuer (45) in der Bundesregierung vertreten.

Söder bescheinigt Andreas Scheuer „gute Arbeit“

Würde der Parteichef ausdrücklich eine Verjüngung des Kabinetts herbeiführen wollen, müsste Seehofer gehen. Ihn verbindet mit Söder eine langjährige Feindschaft. In der CSU war zuletzt auch Kritik an Seehofers Kurs in der Flüchtlingspolitik laut geworden. Der Plan des Innenministers, aus dem Mittelmeer gerettete Migranten nach Deutschland zu bringen, gefällt vielen CSU-Bundes- und Landtagsabgeordneten nicht.

Um einen echten Neuanfang zu bewirken, könnte aber auch Verkehrsminister Scheuer gehen. Er ist in der Partei und in der Bevölkerung relativ unbeliebt. Ein Grund dafür ist, dass Scheuer die Einführung der Pkw-Maut für Ausländer – einstmals ein Wahlversprechen der CSU – gründlich misslungen ist. Dadurch könnte der Staatskasse ein finanzieller Schaden in Millionenhöhe entstanden sein.

In den nächsten Monaten wird ein Bundestagsuntersuchungsausschuss das Mautdebakel aufarbeiten. Bei dem auch noch die Frage im Raum steht, ob Scheuer ihn aktiv behinderte. Söder bescheinigte Scheuer zwar „gute Arbeit“, warnte aber zugleich, dass die Maut „nicht zu einer dauerhaften Hypothek“ werden dürfe.

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Reagiert Kramp-Karrenbauer bei ihrem Besuch in Seeon?

Weil Entwicklungsminister Müller wenig öffentliche Aufmerksamkeit erhält, brächte ein Wechsel auf dieser Position kaum politische Vorteile. Inhaltlich würde die Kritik von Söder an der Bundesregierung am ehesten auf Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Wissenschaftsministerin Anja Karliczek (CDU) zielen. Beide haben in ihren Bereichen wenig bewegen können. Vor allem Altmaier war aus der Wirtschaft massiv kritisiert worden.

Weil beide Minister aber von der CDU benannt wurden, kann Söder an dieser Stelle wenig bewirken. Wie die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, die selbst Verteidigungsministerin ist, auf die Vorschläge reagiert, wird sich am Dienstag zeigen. Dann ist „AKK“ auf der Klausurtagung der CSU-Bundestagsabgeordneten in Seeon zu Gast. Dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel von Söder beeindrucken lässt, ist unwahrscheinlich. Sie hat in ihrer 15-jährigen Amtszeit Minister nur ausgewechselt, wenn diese zurückgetreten waren. Lediglich Norbert Röttgen wurde 2012 von ihr als Umweltminister entlassen, weil er nicht zurücktreten wollte.

Söder selbst steht in der CSU übrigens auch in der Kritik – wegen seines Modernisierungskurses und seiner Strategie, in der Umwelt- und Klimapolitik den Grünen Konkurrenz zu machen.