Jerusalem. Benjamin Netanjahu steht schon länger in der Kritik und im Fokus der Justiz. In der eigenen Partei genießt er offensichtlich Zuspruch.

Viel war in den vergangenen Tagen spekuliert worden: Kann sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu noch einmal an der Spitze der rechtskonservativen Likud-Partei behaupten? Steht die Partei trotz Ermittlungen gegen ihn und breiter Kritik hinter ihm? Am Freitag steht das eindeutige Ergebnis fest.

Der 70-Jährige wurde mit deutlichem Vorsprung und 72,5 Prozent der Stimmen erneut zum Partei-Vorsitzenden gewählt, wie israelische Medien am Freitag nach Auszählung aller Stimmen berichteten. Sein Herausforderer Gideon Saar erhielt 27,5 Prozent.

Netanjahu schrieb auf Twitter von einem „großen Sieg“. Sein Rivale Gideon Saar gratulierte ihm am frühen Freitagmorgen zum Erfolg. „Meine Freunde und ich stehen hinter ihm (Netanjahu) in der Kampagne für den Erfolg von Likud in den Wahlen“, twitterte Saar. Der ehemalige Innen- und Erziehungsminister Gideon Saar war der einzige Gegenkandidat.

Benjamin Netanjahu geht als Spitzenkandidat in die Parlamentswahl im März

Damit ist Netanjahu auch wieder Likud-Spitzenkandidat bei der Parlamentswahl am 2. März. Rund 116.000 Parteimitglieder waren am Donnerstag zu der Abstimmung aufgerufen.

Rakete zwingt Netanjahu in Bunker

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    Netanjahu hatte sich der parteiinternen Wahl gestellt, obwohl er wegen einer Korruptionsanklage und zweifachem Scheitern bei der Regierungsbildung angeschlagen ist. Die Likud-Mitglieder gelten jedoch als extrem loyal und haben noch nie einen amtierenden Parteivorsitzenden abgewählt.

    Israel befindet sich wegen einer fortwährenden Pattsituation zwischen dem rechts-religiösen und dem Mitte-Links-Lager in einer politischen Krise. Weil weder Netanjahu noch seinem Herausforderer Benny Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß eine Regierungsbildung gelang, wird im März schon zum dritten Mal binnen eines Jahres ein neues Parlament gewählt.

    Netanjahu seit Jahrzehnten an der Spitze der Likud-Partei

    Jonathan Rynhold, Politikprofessor an der Bar-Ilan-Universität nahe Tel Aviv, erwartet auch bei der neuen Wahl keinen Durchbruch. „Es ist unwahrscheinlich, dass eines der beiden Lager die notwendige Mehrheit für eine Regierungsbildung erzielen wird“, sagte Rynhold. „Die Mehrheit der Bevölkerung sieht jedoch Netanjahu als verantwortlich für diese dritte Wahl. Deshalb könnte der Likud vielleicht eher dazu bereit sein, eine große Koalition mit Blau-Weiß ohne Netanjahu zu bilden.“

    Netanjahu dominiert die Likud-Partei seit Jahrzehnten. Er war von 1993 bis 1999 Parteivorsitzender, die letzten drei Jahre davon auch Regierungschef. Nach seiner Wahlniederlage 1999 trat Netanjahu als Parteichef zurück, sein Nachfolger wurde damals Ariel Scharon. 2005 schied Scharon dann aus dem Likud aus, um die Kadima-Partei zu gründen. Seitdem ist Netanjahu durchgängig Likud-Parteivorsitzender.

    Vor der Likud-Wahl bekräftigte Netanjahu Pläne zur Annektierung von Teilen des Westjordanlands. „Ich will eine US-Anerkennung unserer Souveränität im Jordantal und allen Siedlungen in Judäa und Samaria (Westjordanland) erreichen - nicht nur in den Siedlungsblöcken“, sagte er dem Armeesender. Sein Herausforderer Saar hatte sich noch weiter rechts positioniert und von Netanjahu härtere Schritte gefordert, etwa die Räumung des Beduinendorfes Chan Al-Ahmar im Westjordanland. (dpa/ac)