Berlin. Auf dem Handy von Ursula von der Leyen wurden Daten gelöscht. Wurden Beweise zur Aufklärung der Berateraffäre absichtlich vernichtet?

Der 12. Februar 2020 ist ein Sonderdatum im Kalender von Ursula von der Leyen. Er erinnert die EU-Kommissionspräsidentin an ein Leben, das sie hinter sich gelassen hat, sie nun aber einholt: ihre Amtszeit als Verteidigungsministerin. Am 12. Februar soll die CDU-Politikerin vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestages als Zeugin zur „Berateraffäre“ aussagen. Dort stand häufig der Vorwurf im Raum, dass Beweismittel vernichtet würden. Diesmal führt die Spur direkt zu ihr.

Nachdem von der Leyen im Sommer nach Brüssel wechselte, wurde ihr Handy nicht gesichert, sondern aufgegeben. Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Hellmich (SPD) trägt nüchtern die Fakten vor: Die Daten seien gelöscht worden, „obwohl ein Aktenvernichtungsmoratorium verfügt war“, sagte er unserer Redaktion. Das schloss für den Ausschuss die Handykommunikation ein. Hellmich erwartet jetzt „die Klärung der Abläufe und der Verantwortlichkeiten durch das Ministerium“.

Berateraffäre um von der Leyen: Datenlöschung ein „handfester Skandal“

Einen „handfesten Skandal“ macht Grünen-Politiker Tobias Lindner aus. „Wir müssen davon ausgehen, dass hier Amtsträger Beweismittel vernichtet haben. Ein solches Verhalten kann strafrechtliche Relevanz haben“, sagte er unserer Redaktion. In der Berateraffäre ging es bisher um Verstöße gegen das Vergaberecht, bis hinzu zu Vetternwirtschaft. Wird es nun vollends kriminell?

Ein Diensttelefon von der Leyens liegt unter Verschluss. Ein anderes gab sie zurück, weil ihre Nummer bekannt geworden war. Das Gerät wurde nach Angaben des Ministeriums „sicherheitsgelöscht“. Es ging dem Vernehmen nach zurück zum Lieferanten. Nun hoffen Lindner und seine Kollegen, dass jedes Gerät gesichert ist und gelöschte Daten rekonstruiert werden können. Lindner selbst erhielt von der Ministerin drei SMS zum Untersuchungsgegenstand. Sein Handy wird ausgelesen.

Grünen-Politiker Lindner: Verteidigungsministerium „torpediert“ Aufklärung

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) stehe in der Verantwortung, „klare Konsequenzen zu ziehen und diesen Vorgang aufzuklären“, sagte Lindner unserer Redaktion. „Alle SMS und anderweitige Kurznachrichten, die unter die Beweisbeschlüsse fallen, müssen jetzt unverzüglich dem Untersuchungsausschuss übermittelt werden.“ Es könne nicht angehen, dass das Ministerium die Aufklärung „weiterhin torpediert“.

Es geht jetzt darum, ob es sich bei den vernichteten Beweismitteln um belastendes Material handelte und ob die Löschung eine Panne, Schlamperei oder Absicht war. Der FDP-Abgeordnete Alexander Müller spricht von einer „ärgerlichen Hinhaltetaktik“. Erst hieß es, „wir suchen nach dem Handy“, dann war es „noch PIN-gesperrt“. Nun ist es platt?

Im Ministerium war der Abteilungsleiter Recht, Andreas Conradi, der Beauftragte für den Untersuchungsausschuss. „Darunter fällt auch das Sichern von Beweismitteln“, erinnert die SPD-Abgeordnete Siemtje Möller im Gespräch mit unserer Redaktion. Sie scheut vor Schuldzuweisungen zurück, fühlt sich jedoch bestätigt.

SPD: „Beweismittel wurden vernichtet“

Im Sommer hat Möller zusammen mit einem Kollegen Kritik an der Aufklärung geübt. „Wir fühlen uns darin bestätigt, dass wir immer nur häppchenweise Informationen bekommen.“ Sie habe Zweifel gehegt am umfänglichen Aufklärungsdrang des Ministeriums – „und das zeigt sich nun darin, dass Beweismittel vernichtet wurden“.

Das Ministerium klärt nach eigenen Angaben „die genauen Umstände des Sachverhalts“. Ausschussvorsitzender Hellmich beteuerte, man werde sich Anfang des neuen Jahres wieder damit befassen. Aber die Zeit drängt. Mit der Vernehmung von der Leyens will der Aussschuss Mitte Februar seine Arbeit beenden.

Lindner nennt Vorgang „digitales Aktenschreddern“

Die CDU-Politikerin wie auch ihre frühere Staatssekretärin Katrin Suder sind nicht mehr im Ministerium – jede Rücktrittsforderung würde ins Leere laufen. Die Linke zieht bitter Fazit: Versagen befördert in der Politik die Karriere.

Der Verlust der Handydaten wiegt doppelt schwer. Zum einen hätten sie Hinweise zur Aufklärung in der Sache geben können, zum anderen von der Leyen politisch in Bedrängnis bringen können. Bei der Beweiserhebung stoßen Untersuchungsausschüsse nicht selten an Grenzen. Auf dem Höhepunkt der NSU-Affäre schredderte der Verfassungsschutz Akten über das Neonazi-Trio. Das war die analoge Variante – Lindner spricht jetzt vom „digitalen Aktenschreddern“.