Berlin. Der Bundestag wird am Donnerstag den Abschuss von Wölfen erleichtern. Wird die Art nun erneut ausgerottet? Was sagen die Naturschützer?

Was wiegt schwerer – der Schutz einer bedrohten Tierart oder die wirtschaftlichen Interessen der Herdenbesitzer und die Angst der Bevölkerung? Lange wurde gestritten – nun wird der Bundestag am Donnerstag mit der Mehrheit der Abgeordneten von CDU/CSU und SPD umfassende Neuregelungen zum Umgang mit Wölfen beschließen.

Die Gesetze der großen Koalition werden einen Abschuss der Raubtiere erleichtern. Das Füttern und Anlocken von Wölfen wird künftig verboten. Die Maßnahmen sollen Schafe und andere Nutztiere vor Attacken schützen und wirtschaftliche Schäden für Bauern vermeiden. Union und SPD wollen damit auch Sorgen in vielen Dörfern entgegenwirken.

Wolfsabschuss: „Kein konfliktfreies Zusammenleben möglich“

„Der Schutz des Wolfes ist uns auch wichtig“, beteuert Unionsfraktionsvize Gitta Connemann (CDU). „Aber dieser muss Grenzen haben.“ In betroffenen Gebieten sorge der Wolf für Angst. Menschen erlebten, wie Haus- und Nutztiere angegriffen und gerissen würden.

„In dicht besiedelten und wirtschaftlich genutzten Arealen ist kein konfliktfreies Zusammenleben mit dem Wolf möglich. Für Wolfsromantik hat dort aus gutem Grund niemand Verständnis“, sagte Connemann. Risse bedrohten inzwischen Existenzen, Schäfereien müssten aufgeben.

Künftig dürfen ganze Rudel getötet werden

Der Gesetzentwurf stammt aus dem Haus von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Demnach soll ein Abschuss künftig auch dann möglich sein, wenn unklar ist, welcher Wolf genau eine Schafherde angegriffen hat. Es sollen so lange Wölfe in der Gegend geschossen werden können, bis es keine Attacken mehr gibt – auch wenn dafür ein ganzes Rudel getötet wird.

Künftig soll zudem schon eine Abwendung „ernster wirtschaftlicher Schäden“ reichen, bisher ist im Gesetz von „erheblichen Schäden“ die Rede. Das soll es auch Hobbyschäfern ermöglichen, Entschädigungen zu bekommen, wenn Wölfe zuschlagen.

Jeder Abschuss muss einzeln genehmigt werden

Allerdings gibt es klare Vorgaben: Die Länderbehörden müssen jeden Abschuss einzeln genehmigen. Dabei sollen Jäger regelmäßig vorab einbezogen werden.

Das Füttern und Anlocken von Wölfen soll verboten werden, damit sie sich nicht an Menschen gewöhnen. Mischlinge aus Wolf und Hund, sogenannte Hybride, sollen grundsätzlich geschossen werden, damit durch weitere Paarungen keine Hundegene in die Wolfspopulation getragen werden und diese somit zerstört würde.

Die Umweltschutzorganisation WWF lobt die Pläne

Die Zahl der Wölfe ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, vor allem in Ostdeutschland.
Die Zahl der Wölfe ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, vor allem in Ostdeutschland. © dpa | Swen Pförtner

Die Umweltschutzorganisation WWF begrüßte die Pläne. Diese machten deutlich, dass Ausnahmen vom strengen Schutzstatus des Wolfes und anderer geschützter Tierarten enge Grenzen gesetzt seien. Die Tötung eines Wolfes müsse auch bei der neuen Gesetzeslage Ultima Ratio sein.

Um ein langfristiges Miteinander von Menschen, Weide- und Wildtieren zu ermöglichen, seien flächendeckende Maßnahmen zum Herdenschutz in allen Bundesländern mit Wolfsvorkommen das A und O. Ähnlich hatte auch der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck argumentiert.

Die Union will „wolfsfreie Zonen“ schaffen

CDU-Politikerin Connemann sagte, Tierschutz sei nicht teilbar. „Weidetiere haben dasselbe Recht auf Tierschutz wie Wölfe.“ Deshalb werde eine Bestandsregulierung gebraucht, was nur mit einer weitergehenden Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes gehe.

Sie betonte zudem etwa mit Blick auf Deiche, die zwingend beweidet werden müssten, die Schaffung wolfsfreier Zonen bleibe für die Union weiter auf der Tagesordnung.

Aktuell gibt es 105 Wolfsrudel in Deutschland

Mittlerweile leben in Deutschland 105 Wolfsrudel, 25 Wolfspaare sowie 13 sesshafte einzelne Wölfe. Das teilten das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) Anfang Dezember mit.

Die Tiere konzentrierten sich auf ein von der sächsischen Lausitz über Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern nach Niedersachsen reichendes Gebiet. Erstmals seit Ausrottung der Art in Deutschland seien in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein einzelne ortstreue Wölfe bestätigt worden, hieß es.

Prognose: Bundesweit 1800 Wölfe im Frühjahr 2020

Insgesamt sind demnach in Deutschland zwischen 275 und 301 erwachsene Wölfe erfasst. Ein Rudel besteht meist aus drei bis elf Tieren – den Eltern und den Nachkommen der letzten zwei Jahre. 41 Rudel leben in Brandenburg, in Sachsen sind es 22, in Niedersachsen 21 Rudel.

Baden-Württemberg, Bad Wildbad: Nach einem Wolfsriss werden zahlreiche tote Schafe von Vertretern der Forstverwaltung  untersucht.
Baden-Württemberg, Bad Wildbad: Nach einem Wolfsriss werden zahlreiche tote Schafe von Vertretern der Forstverwaltung untersucht. © dpa | Christoph Schmidt

Der Deutsche Jagdverband (DJV) kritisierte, dass in dieser Bilanz der Nachwuchs nicht zahlenmäßig aufgeführt werde. Nach DJV-Hochrechnungen lebten im Frühsommer 2019 rund 1.300 Wölfe in Deutschland – erwachsene und Jungtiere. Für das Frühjahr 2020 erwartet der DJV knapp 1.800 Wölfe in Deutschland.

Jagdverband will Wolf ins Jagdrecht aufnehmen

In Deutschland habe sich ein Wolfsbestand etabliert, der weit über dem liege, was in anderen europäischen Ländern zugelassen werde, kritisierte der DJV. In Frankreich sei etwa eine Grenze von 500 Wölfen festgelegt. Der Verband forderte, die Art ins Jagdrecht aufzunehmen.

Nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union sowie nach dem Bundesnaturschutzgesetz ist der Wolf jedoch noch streng geschützt. Im Oktober hat der Europäische Gerichtshof Genehmigungen zum Abschuss von Wölfen enge Grenzen gesetzt. (dpa/max)