Brüssel. Finanzminister Olaf Scholz schlägt der EU eine Rückversicherung für marode Banken vor. Große Geldhäuser unterstützen diesen Vorschlag.

Es ist ein hochbrisanter Streit in der EU: Müssen künftig Banken aus ganz Europa einspringen, wenn Geldinstitute in einem Mitgliedsland vor der Pleite stehen? Auch am deutschen Widerstand ist bislang das Vorhaben einer europäischen Einlagensicherung und damit die Vollendung einer Bankenunion gescheitert. Jetzt macht Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) überraschend ein Kompromiss-Angebot – und löst prompt Widerspruch beim Koalitionspartner aus.

Scholz will sein Konzept am Donnerstag den EU-Finanzministern vorstellen, bei einer Konferenz in Frankfurt skizzierte er am Mittwoch schon mal Grundzüge: „Es ist Zeit für einen Durchbruch“, sagte der Finanzminister, „den Stillstand können wir uns nicht länger leisten. Wir müssen mit der Bankenunion vorankommen.“

Banken: Scholz bietet EU eine Rückversicherung an

Bislang scheiterte das vor allem am Streit um die Einlageneinsicherung. Schon heute gilt europaweit eine Garantie für Spar- und Girokontoeinlagen von 100.000 Euro je Kunde und Bank – abgesichert über von den Banken finanzierte Fonds in den einzelnen Mitgliedstaaten. Die Garantie soll Panikreaktionen von Bankkunden verhindern, die mit massenhaften Geldabhebungen („Bank run“) Bankkrisen noch verschärfen können.

Aber: Wenn in einem Land mehrere Banken gleichzeitig pleitegehen, könnte das Sicherheitsnetz reißen. Deshalb hatte die EU-Kommission einen europaweiten Versicherungstopf vorgeschlagen, in den die nationalen Rettungsfonds einfließen sollen. Dagegen hatten sich Scholz und sein Vorgänger Wolfgang Schäuble gewehrt, die deutsche Bankenbrache auch.

Jetzt bringt Scholz Bewegung in die Debatte: Er könnte sich zumindest mit einer Rückversicherung anfreunden. Wenn die nationalen Sicherungen nicht reichen, soll ein europäischer Fonds einspringen, heißt es in einem Positionspapier, das unserer Redaktion vorliegt.

Bundeskanzlerin: Scholz-Vorstoß keine Regierungsposition

Der Fonds würde aus getrennten nationalen Konten bestehen, Geld gäbe es nur als rückzahlbares Darlehen und nur bis zu einer Höchstsumme. Was darüber hinaus ginge, müsste der jeweilige Mitgliedstaat schultern.

„Kein kleiner Schritt für einen deutschen Finanzminister“, meint Scholz. Allerdings stellt der Minister Bedingungen, die in der EU nicht durchweg unterstützt werden: Zum einen müssten Insolvenz- und Abwicklungsregeln für Banken in Europa vereinheitlicht werden. Zudem müsste die Zahl fauler Kredite in den Bankbilanzen weiter reduziert werden. Schließlich dürften Staatsanleihen nicht mehr als risikofreie Anleihe behandelt werden – eine Forderung, die etwa in Italien auf klare Ablehnung stößt.

Die Frage, wie eng die Verbindung von Banken und ihren Staaten sein darf, ist in der EU höchst umstritten. Scholz stieß mit seinem Vorschlag auf ein geteiltes Echo. Kanzlerin Angela Merkel ließ klarstellen, dass es sich nur um einen „Diskussionsbeitrag“ von Scholz handele, nicht um eine Regierungsposition.

Große deutsche Geldhäuser wollen Bankenunion nicht blockieren

Aus der Union kam Protest: Der wirtschaftspolitische Sprecher der christidemokratischen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Markus Ferber (CSU), nannte den Vorschlag „gefährlich“ und warnte, die Teilhaftung für Banken in anderen Mitgliedstaaten sei der Einstieg in eine Vollvergemeinschaftung der Einlagensicherung. Die FDP beklagte einen neuen „Umverteilungsmechanismus“ zulasten der Anleger.

Zustimmung kam dagegen aus der SPD, positiv äußerten sich auch die Deutsche Bank und die Commerzbank; die Branche hatte schon vor einigen Monaten ihren Widerstand gegen eine europaweite Einlagensicherung relativiert, um eine europäische Bankenunion nicht zu blockieren. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) und Experten der EU-Kommission begrüßten den Scholz-Vorstoß.

Die Sparkassen und Volksbanken in Deutschland bleiben dagegen bei ihrer Ablehnung einer europaweiten Einlagensicherung. Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold nannte das Konzept unausgegoren und bezweifelte, dass die Union zustimmen werde; man müsse sich aber freuen, „dass der Finanzminister nach langer Blockade überhaupt einen Vorschlag zur Bankenunion vorlegt“.