Berlin. Finanzminister Olaf Scholz kann sich 2019 über hohe Steuereinnahmen freuen. Mehrere Milliarden sind überraschend mehr in der Kasse.

Vier Milliarden Euro hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) überraschend mehr in der Kasse. 4000 Millionen Euro – eine stolze Summe, wo Deutschland und Europa doch unter Handelskrieg, Brexit-Sorgen und einer Konjunkturdelle leiden. Zwar musste Deutschland zum einen weniger an die EU überweisen. Vor allem aber sprudelten die Einnahmen aus Einkommen- und Umsatzsteuer dann doch deutlich stärker als gedacht. Was sich mit den Milliarden anstellen ließe, dazu hält sich Minister Scholz erst einmal bedeckt. Bloß keine Begehrlichkeiten wecken.

Trotzdem stellt sich die Frage: Wohin mit dem Geld? Wünsche gibt es viele. Mehr investieren? Das sähe etwa die künftige Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, die an diesem Freitag ihr neues Amt antreten wird, gern von der Bundesrepublik. Länder mit „Haushaltsspielraum“ sollen gegen die Konjunkturschwäche angehen.

Sanierungsstau im öffentlichen Raum ist endlos

Mehr Geld in der Staatskasse: Alexander Klay kommentiert die überraschenden Extra-Milliarden.
Mehr Geld in der Staatskasse: Alexander Klay kommentiert die überraschenden Extra-Milliarden. © Reto Klar | Reto Klar

Doch mal eben mehrere Milliarden Euro mehr ausgeben kann der Staat kaum noch. Gebaut und saniert werden könnte zwar an allen Ecken und Enden. Noch immer ist der Sanierungsstau im öffentlichen Raum endlos, und die Digitalisierung könnte weiter vorangetrieben werden. Doch die Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen sind bereits ausgelastet. Die öffentliche Verwaltung wurde in den Jahren des Sparens vielerorts so arg ausgedünnt, dass schon das vorhandene Budget nicht ausgegeben werden kann. Fördertöpfe bleiben wegen mangelnder Planungskapazitäten und langwieriger Verfahren ungenutzt.

Und wird doch ein zusätzliches Projekt angeschoben, liegen die Kosten dafür nicht selten in astronomischen Höhen. Auch die Bauwirtschaft ist durch die nach wie vor zufriedenstellende Lage der Wirtschaft auf Monate oder Jahre ausgelastet und kann Mondpreise verlangen.

Ein zusätzliches „Konjunkturpaket“ ist also überhaupt nicht nötig – trotz Negativmeldungen wie Stellenstreichungen bei Autozulieferern herrscht nach wie vor Beschäftigung auf Rekordniveau. Sinnvoll könnte es noch erscheinen, hoch verschuldeten Kommunen bei der Tilgung ihrer Kredite unter die Arme zu greifen und ihnen damit wieder etwas mehr Luft zum Atmen zu geben. Am einfachsten und immer noch am Naheliegendsten ist aber vor allem eins: die zusätzlich vorhandenen Milliarden denen zurückzugeben, die sie mühsam erarbeitet haben.

Jetzt sind die Arbeitnehmer an der Reihe

Nach zig Renten- und Sozialpaketen der großen Koalition sind jetzt die Arbeitnehmer an der Reihe. Deren Interessen finden viel zu wenig Beachtung. Über einen Abbau der „kalten Progression“ etwa, die Lohnzuwächse durch eine höhere Steuerlast nahezu auffrisst, ist schon lange nicht mehr ernsthaft diskutiert worden. Oder wie wäre es mit einer völligen Abschaffung des Solidaritätszuschlags statt nur einer Entlastung für 90 Prozent der Steuerzahler?

Denkbar wäre zudem eine weitere gute Tat für die Beschäftigten. Auch wenn am Arbeitsmarkt wegen der aktuellen Konjunkturflaute Stagnation eingetreten ist, haben so viele Menschen Arbeit wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Bundesagentur für Arbeit sitzt auf Rücklagen von über 25 Milliarden Euro.

Eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung würde jedem Bürger ein paar Euro mehr ins Portemonnaie bringen. Das Geld wird meist direkt wieder ausgegeben. Mehr Konsum kurbelt die wichtige Binnenkonjuktur weiter an. Solange die unklare Situation um den EU-Austritt Großbritanniens und die Handelskonflikte der USA mit China und Europa die exportorientierte deutsche Wirtschaft weiter schwächen, ist jede Maßnahme zur Stärkung der Inlandsnachfrage willkommen – und die zusätzlichen Steuermilliarden hier gut aufgehoben.